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Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 10.03.2008 18:42von mande (gelöscht)
Der Räuber.
@Manfred Schröder
Es war einmal ein junger Mann, welcher beschloss Räuber zu werden. So besorgte er sich eine Pistole und ging in den dunklen Wald, wo er sich hinter einen Baum stellte und wartete, dass jemand vorbeikäme, den er berauben könnte. Nach einiger Zeit sah er einen Mann des Weges daherkommen. Als dieser bei ihm angelangt war, sprang er hervor und rief:
"Dein Geld her, oder ich erschiesse dich!"
Der Andere wich zuerst erschrocken zurück. Dann lachte er.
"Du bist mir einer. Hast du mir einen Schrecken eingejagt. Mich willst du berauben! Doch ich bin nur ein armer Holzsammler, der nicht einen Pfennig in der Tasche hat. Stelle dich wieder hinter den Baum zurück und warte. Vielleicht kommt jemand anderer und du hast dann mehr Glück!"
So tat es dann der Räuber und der Holzsammler ging pfeifend weiter. Es dauerte nicht lange, da kam ein jüdischer Geldverleiher daher. Auch diesmal rief der Räuber wieder:
"Geld her, oder ich erschiesse dich!"
Dieser war mehr erstaunt, als erschrocken und blickte den Räuber von oben bis unten an.
"Na, ja, "sagte er dann. "Viel Geld habe ich nicht. Doch für zehn Prozent Zinsen, kannst du es haben!"
Der Räuber überlegte einen Augenblick. Dann winkte er ab.
"Ach, nein. Du willst mich nur übers Ohr hauen!"
Der jüdische Geldverleiher zuckte mit seinen Schultern.
"Nun, ja, wie du willst," bemerkte er. "Vielleicht hast du bei der nächsten Gelegenheit mehr Glück!"
Und zog weiter seines Weges.
Der Räuber seufzte und stellte sich wieder hinter den Baum. Lange brauchte er auch dieses Mal nicht zu warten. Ein alter Mann kam langsam den Weg entlang. Als er auf gleicher Höhe war, sprang der Räuber wieder hervor und abermals rief er:
"Dein Geld her, oder ich erschiesse dich!"
Der alte Mann blieb stehen und sprach:
"Ach, Geld habe ich nicht. Doch in meinem Garten liegt unter der Erde ein Schatz vergraben. Einen Spaten habe ich zuhause. Un ich werde dir die Hälfte abgeben"
Wie da der Räuber strahlte. Endlich. So ging er denn mit dem alten Mann, der nicht weit, in einer Hütte lebte. Dieser begab sich in den Schuppen und holte einen Spaten hervor.
"Hier, nun kannst du graben. Und wenn du fleissig bist, wirst du einen Schatz finden."
So grub denn der Räuber bis zum späten Abend. Als er fertig war, fragte er erstaunt, wo denn der Schatz sei.
"Du musst Geduld haben,"gab der alte Mann zur Antwort. "Komme im Herbst wieder."
Der Räuber überlegte einen Augenblick und nickte dann.
Als er im Herbst zurückkam, sah er den alten Mann vor seiner Hütte sitzen.
"So, ich bin gekommen, um den Schatz zu holen."
Der alte Mann lächlete und zeigte auf den Garten, wo in sauberen Beeten allerlei Gemüsse wuchs.
"Hier, ist der Schatz und die Hälfte gehört dir. Denn ohne dein Umgraben, gäb es hier nichts!"
Der Räuber sann einen Augenblick nach.
"Gut. Und im nächsten Frühjahr werde ich wiederkommen!"
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:16 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 12.03.2008 10:14von mande (gelöscht)
Mary und der Riese Ornac
© Manfred Schröder
Der Riese Ornac saß auf der Bank vor seinem Haus und blickte missmutig in die Welt. Er hätte so gerne seinem Vetter Holcon, der hoch oben an der Grenze zu Schottland wohnte, einen Brief geschickt. Doch er hatte nie das Schreiben und das Lesen gelernt. Und fragen wollte er niemanden, da er fürchtete, dass man ihn auslachen könnte. So saß er denn da, und weder der Gesang der Vögel, noch die farbige Blumenpracht in seinem Garten, konnten sein Herz erfreuen. Sicher, er könnte sich zu Fuß aufmachen. Doch es war ein weiter Weg, und Ornac fühlte sich zu alt, diese beschwerliche Reise zu unternehmen. Wie oft hatte er sich darüber geärgert, dass auch er nicht, wie Holcon, die Menschen verlassen hatte, um in der Einsamkeit, Ruhe und Frieden zu finden. Doch nun hatte er dazu keine Kraft mehr. So hockte er denn da, und grübelte vor sich hin. Plötzlich ging eine Idee durch seinen Kopf, und er begann zu lächeln.
´Dass mir dieses nie früher eingefallen ist´, dachte er. Er erhob sich, ging ins Haus und zog unter seiner Matratze eine Pfundnote hervor. Wie hätte er sein Geld zur Bank bringen können, ohne schreiben, lesen und rechnen zu können. Und er war auch ein misstrauischer Riese. Dann ging er die holperige Strasse hinunter, wo sich am Ende Annys Gemischtwarenladen befand, in dem es fast alles zu gab, was man hier so brauchte.
Als er das Geschäft betrat, blickte ihn Anny erwartungsvoll an.
-Nun, Ornac, woran fehlts?-
Er fühlte sich auf einmal nicht wohl in seiner Haut, da die anderen Kunden ihn neugierig anschauten. Eine Zeitlang schwieg er. Dann schaffte er es zu sagen..
-Ich brauche einen Bogen Papier, einen Umschlag und einen Bleistift.- Irgendjemand lachte.
-So, so-, bemerkte Anne.
-Papier und einen Bleistift. Willst wohl deinem Liebchen schreiben?- Jetzt lachten auch alle anderen. Ornac fühlte, wie er rot wurde und wäre am liebsten im Erdboden verschwunden. Ja, so waren sie, die Menschen.
Umständlich packte Anny alles ein, als wolle sie den anderen Zeit lassen, sich an seinem Anblick zu ergötzen. Als Ornac wieder draußen war, holte er tief Luft und lief, so schnell er konnte, nach Hause. Er setzte sich wieder auf seine Bank und blickte zur Sonne. Nach ihr richtete er sich immer, falls sie am Himmel zu sehen war, da er keine Uhr besaß. Bald würden die Kinder die Schule verlassen und das kleine Mädchen, mit den dunklen und langen Zöpfen, würde wie immer, an seinem Haus vorbeikommen. Es dauerte nicht lange und er sah, wie es hüpfend die Strasse herunterkam.
-Woher kommst du denn?-, fragte er freundlich.
Das Mädchen blieb stehen und schaute Ornac verwundert an. Denn noch nie hatte er es angesprochen.
-Ich komme aus der Schule, Ornac. Warum fragst du?- Er kratzte sich an seinem Ohr und überlegte, wir er es am besten sagen könnte.
-So, so. Aus der Schule. Ja, ja. Und kannst du denn schon schreiben? Und wie heißt du?- Das Mädchen lächelte.
-Ich heiße Mary. das weißt du doch. Natürlich kann ich das.- Wieder überlegte Ornac.
-Na, ich weiss nicht. Bist doch noch so klein. Ich glaube das nicht.- Mary lachte.
-Alle Kinder in meiner Klasse können schreiben.- Ornac zog aus seiner Tasche das Blatt Papier und den Bleistift und reichte es ihm.
-Hier. Schreibe mir etwas auf. Dann glaube ich dir.- Mary legte ein wenig den Kopf zur Seite und blickte ihn nachdenklich an.
-Und was soll ich schreiben?-
Ornac holte tief Luft.
-Also.-
Er schwieg wieder, weil er überlegen musste.
-Also-, begann er wieder. - Mein lieber Holcon, ich würde mich freuen, wenn du mich mal wieder besuchen könntest. Du bist jünger und rüstiger, während
ich...-
Und Ornac redete und redete, bis alle beiden Seiten des Papiers vollgeschrieben waren.
-Das Blatt ist voll-, sagte Mary. Ornac war richtig erschrocken, denn er wollte nicht durchschaut werden.
-Na, dann zeig mal her. Mal sehen, wie viele Fehler du gemacht hast.- Mary reichte ihm das Blatt und Ornac tat so, als würde er lesen.
-He, Ornac-, sagte Mary. -Du hältst das Papier falsch herum. Die Schrift steht jetzt auf dem Kopf.- ´Ach du Schande´, dachte Ornac. Und laut sagte er.
-Ja, ja, das weiss ich selber. Wollte es gerade herumdrehen.- Mary lachte laut auf.
-Weißt du was ich denke. Du kannst gar nicht lesen.- Ornac beugte sich zu ihr herunter und legte seine Stirne in drohende Falten.
-Willst du sagen, dass ich lüge. Vorsichtig. Denn ich bin ein gewaltiger Riese, der dich mit einem Happen verschlingen kann.- Doch Mary hatte keine Angst.
-Hör zu-, sagte sie freundlich. -Wenn du willst, kann ich dir das Schreiben und das Lesen beibringen.- Ornac wusste nicht, was er sagen sollte. Er richtete sich wieder auf und überlegte. Schreiben und lesen. Ach, das wäre schön.
-Und wirst du niemanden davon erzählen.- -Ach Ornac.- Jetzt war Mary ein wenig gekränkt.
-Ich bin doch keine Tratschsusi.-
-Natürlich nicht-, beeilte sich Ornac zu sagen. Denn er wollte nicht, dass sie es womöglich sich anders überlegte.
-Gut-, sagte Mary. -Morgen um dieselbe Zeit, können wir hier in deinem Garten Unterricht abhalten-.
Sie gebrauchte das Wort Unterricht. Denn ein wenig stolz war sie schon, wie eine Lehrerin zu sein.
-Du musst dir nur noch ein Heft besorgen.- Ornac versprach es und sein Herz hüpfte vor Freude. Noch am gleichen Tage besorgte er sich ein großes Heft und ein Radiergummi. An das Letzte hatte er selber gedacht. Denn er würde bestimmt viele Fehler machen. Und fünf Mal in der Woche, immer wenn Mary aus der Schule kam, saßen sie in seinem Garten und Ornac lernte Lesen und Schreiben. Einfach war es für beide nicht.
Doch Ornac war gelehrig und Mary geduldig. Und eines schönen Tages, der Herbst neigte sich seinem Ende zu, ging Ornac die Strasse herunter, betrat Annys Gemischtwarenladen und fragte nach einer Zeitung. Es wurde still im Geschäft und alle blickten auf ihn. Denn niemand hatte je geglaubt, dass er lesen könnte.
-So so,.- Anne grinste. -Eine Zeitung willst du. Hier. Na, dann lies uns mal vor, was es so an Neuigkeiten gibt.- Ornac strahlte übers ganze Gesicht.
-Wenn ihr nicht selber lesen könnt. Gut. - Er blickte auf die Hauptseite.
-Auch dieses Jahr zweifelt niemand daran, dass Liverpool wieder Fußballmeister wird.- Er schaute in die Runde und sah mit Genugtuung, wie ihn alle ungläubig
anstarrten.-
-Ach, ja. Und hier steht, dass die Königin trotz ihrer 80 Jahre noch immer gesund und rüstig ist.- Bevor er nach draußen ging, sagte er noch.
-God save the Queen! -
Und stolz ging er, mit der Zeitung unterm Arm, die Straße zu seinem Haus hinunter.
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:16 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 12.03.2008 10:19von mande (gelöscht)
Augenblicke des Glücks
© Manfred Schröder
Die Wellen rollten den Strand hinauf und verteilten salzige Küsse. Der Wind sammelte die wenigen weißen Wolken wie verlorene Schafe und zauberte eine neue Himmelslandschaft für die kreischenden Möwen.
Der Junge lief durch den feinen Sand und für einen Augenblick hinterließ er Spuren seiner nackten Füße als Zeichen eines unbeschwerten Daseins.
Es war der schönste Tag, seit Erschaffung der Welt. Und dieser Tag war für ihn gemacht. Er ließ flache Steine übers Wasser hüpfen, sprang ihnen nach, tauchte ins Wasser, befreite Undine, die Meerjungfrau, aus den Netzen; wurde zum fliegenden Fisch und flog als Möwe zurück zum Strand.
Eine Muschel ragte aus dem Sand hervor, gleich einem vergessenen Horn. Er grub sie aus wie einen wiedergefundenen Schatz und hielt sie an sein Ohr.
-Schiff, ahoi-, rief Kapitän Morgans tiefe Stimme. Der Junge blickte zum Strand und gewahrte das Boot, welches unruhig auf den Wellen tänzelte.
Kapitän Morgan, seetangbehangen und meersterngeschmückt schwang seinen Arm wie eine Fahne zum großen Aufbruch. Der Junge sprang ins Boot und eine Riesenwelle wogte heran. Wich zurück und nahm es mit sich wie einen kleinen Happen. Der Wind pustete sich auf und die Segel strafften sich, stolz wie die Brüste junger Mädchen.
-Schiff, ahoi-, schrie auch der Junge und das Boot schoss gleich einem Pfeil über schäumende Wellenberge. Delphine sprangen aus dem Wasser und nahmen den Wettkampf an.
Er nahm die Muschel von seinem Ohr und dachte sich eine andere Geschichte aus. Hoch oben am Strand stand Feinsliebchen Megan. Er erlöste sie vom Bodenschrubben und Tellerwaschen. Reinigte ihr Gesicht von Cinderellaasche und schmückte sie mit den schönsten Kleidern, die er in Tante Pollys Zeitschrift ´Die Frau von heute´ gesehen hatte. Und die Königin von England erblasste vor Neid. Megan lächelte hoheitsvoll, als sie zum Strand herunterschritt.
-Wo ist mein Pferd-, rief sie und der Junge wieherte fröhlich auf.
-Huckepack-, gebot sie und er spürte die schönste Last seines Lebens auf seinen Schultern. Einen Augenblick stand er da und scharrte mit seinen Hufen. Womit könnte er Feinsliebchen glücklich machen? Ihm fiel der Mond ein, der des Nachts im Teiche schwimmt. Er dachte an den fauchenden Wind hinterm schrägen Haus. Er spürte die ungeduldigen Schenkel von Feinsliebchen, welche die Welt erobern wollte. So ließ er denn dunkle Wolken am Horizont sich auftürmen und Schlachtgetümmel drang zu ihnen herüber. Und Feinsliebchen schrie:
-Auf nach Bosworth. Der König braucht ein Pferd und ich ein Königreich!- Und da ihm heute alles vergönnt war, wuchsen ihm Flügel und er flog wie Pegasus über Cornwalls weite Landschaft. Unten grüssten Riesen und warfen vor Freude Steine in die Luft.
Jetzt stand er auf einem Hügel und Feinsliebchen suchte nach dem König. Doch der Junge dachte sich etwas anderes aus. Die Wolken brachen auf und der König rief:
-Einen Königreich für einen Regenschirm!- Miss Swandson, Lehrerin für Geschichte und Altenglisch, die jeden Morgen ihren großen Dichter mit Halleluja begrüßte, griff zum Stock. Doch Feinsliebchen lachte auf, streckte die Zunge heraus, gab dem Jungen die Sporen und verzichtete auf ein Königreich.
Für einen Augenblick wollte er alleine sein. Er pustete den Himmel leer und blickte den Möwen nach, die ins Blau eintauchten, wie in ein unendliches Meer. Der Sand war warm und er rollte sich wie junge verspielte Katzen. Er war noch sie so glücklich gewesen.
Oben auf dem Sandhügel stand eine vornehme Dame aus der Stadt, und blickte gelangweilt zum Strand hinunter.
-Schau mal, dieser Junge da-, sagte ihre kleine Tochter, die neben ihr stand. Die Mutter zuckte mit den Schultern.
-Das ist eines von den Kindern hier. Komm! Das ist kein Umgang für uns.-
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:15 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 01.04.2008 17:06von mande (gelöscht)
Märchen, kurz vor dem Einschlafen.
(@Manfred Schröder)
In einem Schaumriff, sass das Weeschnittchen und wollte damit zum pleiten Waneten Meckerläulchen fliegen. Unterwegs begegnete ihr die Läusemiesel. Weeschnittchen sagte:
"Hier ist noch ein Plitzsatz frei. Steig ein!"
Als sie am Ziel waren stand schon die Machlöwe da, welche mit Far und Stink ihnen das Lied
´Es rauschet die Mühle
am klappernden Bach,´
zur Begrüssung sangen. Dann gingen sie alle zum Husperknäuschen, wo die alte Sau frass.
Als sie alle fröhlich beisammensassen, kam auch Mauschleier,
Bevor das Weeschnittchen und die Läusemiesel wieder die Reimheise antraten, haben sie sich noch alle die Schände gehüttelt.
Manfred
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:14 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 02.11.2008 12:28von mande (gelöscht)
Der Erlösungskuss.
@Manfred Schröder
In seinem Bette schlief ein Kind,
es wanderte durch einen Traum.
Da gab es Wald und Feld und Wiese
und einen grossen Märchenraum.
Dort sass auf einem Stuhle,
ein Prinz, so wunderschön.
Es hatte in seinem Leben,
nichts schöneres gesehn.
Er sprach mit trauriger Stimme:
"Komm her, mein liebes Kind.
Küsse mich auf meinem Munde,
damit ich Erlösung find."
Das Kind, als ob es schwebte,
ging hin und küsste ihn.
Da wurd der Prinz zum Frosche,
so hässlich und so grün.
Und er dankte freudig:
"Erlösest hast du mich.
Das Leben eines Prinzen,
ich fand es widerlich!"
Das Kind war arg erschrocken;
es dacht. ´Oh, welch ein Graus.´
Der Frosch, er quakte lustig
und sprang zur Tür hinaus.
Das Kind nun, dann am Morgen,
schon früh, es wurde wach
und ging, als ob es ahnte,
hinunter zu dem Bach.
Dort sass auf einem Steine,
nun, ihr glaubt es kaum,
und hatte Bein bei Beine,
der Frosch aus seinem Traum!
Manfred
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:14 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 02.11.2008 15:45von Allerleirauh • | 91 Beiträge | 143 Punkte
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 02.11.2008 16:31von mande (gelöscht)
Dir ein Dank fürs lesen, Allerleirauh.
Ja, wir wohnen an einem See, wo es quakt von morgens bis abends. Ich glaube, ein Kuss, er reicht nicht aus!
Werde ber Ausschau halten.
Dir noch ein schönen Sonntagabend.
Mit Grüssen aus Finland.
Manfred
[ Editiert von mande am 02.11.08 16:32 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 27.11.2008 20:36von mande (gelöscht)
Tausendundzweite Nacht
© Manfred Schröder
Sultan Sheherban lag auf seinem, mit weichen Kissen ausgestatteten Ruhebett und dachte nach. Tausendundeine Nacht hatte er Sherezadeh verschont. Ihre Geschichten hatten ihr das Leben erhalten. Doch die letzten Märchen fand er langweilig und war auch ihrer überdrüssig. Schon seit einiger Zeit hatte er auf den neuen schwarzen Sklaven ein Auge geworfen, der Sherezadeh des Abends in sein Gemach führte.
Und seine sinnliche Begierde wurde von Tag zu Tag größer, diesen dunklen und schlanken Körper in seinen Armen zu halten.
´Nun´, dachte er. ´Noch eine Nacht. Morgen werde ich Sherezadeh töten lassen´.
Um die zehnte Abendstunde öffnete sich die Türe zu seinem Gemach und Sherezadeh begleitet von dem schwarzen Sklaven, der auf den Namen Ahmed hörte, trat ein. In seinen Händen trug er ein goldenes Tablett auf dem eine Karaffe, mit rot-schimmernden Wein gefüllt und zwei Gläser standen.
Sultan Sheherban machte eine Handbewegung und Ahmed stellte das Tablett auf einen kleinen Tisch, der neben der Ruhestätte stand. Wie aus Versehen berührte er die sanfte und dunkle Haut des Sklaven. Dieser verbeugte sich und verließ, sich rückwärts bewegend, den Raum. Sherezadeh nahm heiter lächelnd die Karaffe in die Hand und füllte die beiden Gläser.
Sie reichte eines dem Sultan und sprach:
"Der Segen Allahs sei mit bei dir!"
Sultan Sheherban war erstaunt, ob dieser Worte. Doch er nickte gnädig und führte das Glas zu seinem Mund. Noch nie glaubte er solch einen herrlichen Wein getrunken zu haben. Auch Sherezadeh hob ihr Glas.
"Nun denn", sagte er, - erzähle deine Geschichte."
Er deutete mit seiner Hand neben sich und sie nahm an seiner Seite Platz.
Der Sultan trank zum zweiten Male und ein Schwindel bemächtigte sich seiner.
"Was ist mit mir?" sagte er.
Sherezadeh lächelte.
"Ruhe dich ein wenig aus, mein Gebieter. Du bist müde. Ein Engel wird dir die Tausenundzweite Nacht erzählen!"
Sultan Sheherban blickte sie erstaunt an.
"Ein Engel?" konnte er nur noch hervorbringen. Dann fiel sein Kopf zur Seite.
Als er erwachte und die Augen öffnete, gewahrte er, dass er sich in einem großen Garten befand, der mit Palmen und Blumen bewachsen war. In der Mitte lag Teich, an dem ein Engel von unsagbarer Schönheit saß und ein großes Buch in seiner Hand hielt. Am Himmel erschienen die ersten Sterne. Er winkte ihn heran.
"Komm, setze dich zu mir. Ich will dir die Tausendundzweite Nacht erzählen."
Der Sultan blickte verwundert.
" Wo bin ich? Und die Tausendundzweite Nacht?"
Der Engel sah in freundlich an.
"Du bist im Garten Allahs. Und hat es dir nicht Sheherazade gesagt, dass ein Engel dir diese Geschichte erzählen wird?" Einen Augenblick dachte der Sultan nach. Dann nickte er benommen.
Der Engel öffnete das Buch und begann zu lesen.
"Die Tausendundzweite Nacht. Sie erzählt die Liebesgeschichte von Sherezadeh und Ahmed dem schwarzen Sklaven. Als nun der Sultan gestorben war ..."
Manfred
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:15 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 26.01.2009 22:17von mande (gelöscht)
Der Müllerbursche, der nie zuhause ankam.
@Manfred Schröder
Ein Müllersbursche, der sieben Jahre treu seinem Herrn gedient hatte, war auf dem Wege heim zu seiner Mutter, die hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen wohnte. Zwar hiess er nicht Hans und hatte auch keinen Goldklumpen als Belohnung für seine treuen Dienste bekommen, doch war auch er frohen Mutes.
Als er nun ein Stück des Weges gewandert war, dürstete es ihn. Bald kam er zum einem Brunnen, der sich am Dorfeingang befand. Als er sich mit einem kühlen Trunk gestärkt hatte und sich entfernen wollte, hörte er eine Stimme.
"Heh du, willst du mir einen Gefallen tuen."
Erstaunt blickte er sich um, weil er niemanden sah.
"Hier bin ich," sprach die Stimme wieder.
"Ich sitze hier am Brunnenrand."
Jetzt bemerkte ihn Klaus. Ein Frosch.
"Komm näher," fuhr der Frosch fort. Klaus setzte sich zu ihm.
"Du musst mir helfen. Ich bin kein Frosch, sondern ein verzauberter Königssohn!"
Klaus nickte.
"Ja, ich kenne das Märchen. Meine Mutter hat es mir oft, als ich Kind war, vorgelesen."
"Nein, nein," unterbrach ihn der Frosch.
"Das hier ist kein Märchen! Ich bin wirklich ein verzauberter Königssohn! Und du kannst mir helfen"
"Und wie?"
"Nun," gab der Frosch zur Antwort, "wie im Märchen. Du musst mich küssen. Dann werde ich wieder zum Königssohn."
Klaus nickte.
"Ja, gut. Wenn es dir hilft."
Er bückte sich und küsste ihn. Kaum hatten seine Lippen den Kopf berührt, da stand vor ihm ein junger und stattlicher Königssohn. Doch er selber war zu einem Frosch geworden und hockte jetzt auf dem Brunnenrand.
"He", sprach er, "was ist das? Nun bin ich ein Frosch!"
Der Königssohn zuckte mit seinen Schuktern.
"Ja, entschuldige, doch ich hatte vergessen zun sagen, dass, wer mich küsst, selber zu einem Frosch wird. Doch vielleicht kommt bald jemand und küsst dich"
Darauf setzte er seine goldene Krone auf seinem Haupt zurecht, hob zum Grusse das Zepter und entfernte sich.
Da sass nun Klaus.
´Blöd,´ dachte er. Doch weil er guten Mutes war, liess er die Hoffnung nicht fahren und wartete, dass jemand käme und ihn küsste.
Ein Storch flog über das Dorf und sah auf dem Rand des Brunnens einen Frosch sitzen.
´Ein guter Happen´!
Und ehe ihn Klaus bemerkte, hatte der Storch ihn schon im Schnabelund schwupp, war er verschluckt.
Zu Hause sass seine Mutter und wartete vergebens auf ihn und war sehr traurig. Doch noch am selben Abend kam ein Storch geflogen und begann auf dem Dach ihres Hauses ein Nest zu bauen.
Manfred
[ Editiert von mande am 29.01.09 8:21 ]
RE: Manfred Schröder: kurz, knapp und überraschend
in Märchenschreiber 28.01.2009 06:06von mande (gelöscht)
Väinämöinen
@Manfred schröder
Es war Frühling. Jukka lief durch das feuchte, mit Tauperlen bedeckte morgendliche Gras, das sich an seinen nackten Füssen schmiegte.
Der Wind roch nach frischer Erde und Schilf am See. Ein Zug wilder Schwäne flog über ihn dahin und fiel ins Land. Er kletterte auf einen der großen Steine, auf denen früher Riesen gesessen hatten. So jedenfalls hatte es ihm Urho erzählt. Uralt war er und hatte sie bestimmt noch gekannt. Der Junge liebte diesen Platz. Und wenn er auf dem Rücken lag und Wolken am Himmel über ihn, zog er mit ihnen bis ins Nordland. Doch jetzt stand er aufrecht und sein Blick ging über den See; über weite Felder bis zu den Wäldern, wo Ilmarinen noch immer die Esse schlägt. Und es gibt Menschen, die den Klang auch heute noch hören, den an manchen Tagen, der Wind herüberträgt. Ihn überfiel die Lust zum singen. Den alten Väinämöinen herauszufordern. Den alten Urzeitsänger. Die Freude in seinem Herzen hinauszutragen, in den durch Sonnenstrahlen durchfluteten Morgen. Er hob seine Arme und eine helle Stimme schwebte in der Luft. Sie stieg höher und eine Lerche antwortete mit übermütigem Schall. Der Wettgesang lockte Bär und Fuchs, Wolf und Hase aus Höhle und Bau.
Jukka blickte zum See, dessen Ufer weißfedrig geschmückt war. Plötzlich teilte sich das Wasser, schäumte auf und aus den Fluten entstieg Väinämöinen, der Urzeitsänger. Gross erhob er sich und an Bart und Haar hing der Tang des Sees. Er gewahrte Jukka und kam auf ihn zu.
"Nun, wer hat mich da gerufen? Hat an meinem Ohr gekitzelt? Den alten Sänger, in mir wach gemacht?"
Da stand nun Jukka. Ja, er hatte ihn herbeigesungen. Wollte sich mit ihm messen. Nun, wo dieser vor ihm stand, brachte er keinen Ton hervor. Doch Väinämöinen lachte.
"Hör, Milchbart. Hast mir einen großen Schrecken eingejagt, mit deinem Lied. Und weiss nicht recht, darauf zu antworten. So lasst uns denn gemeinsam zum großen Gesang anheben."
Jukkas Augen wurden wieder hell und klar. Seine Brust atmete frei und ein erster hoher Klang entflog seinem Mund. Dann fiel Väinämöinen ein. Mit Tönen, uralt und tief.
Die Bauern auf den Feldern, richteten sich auf. Der Teig der Bäuerin blieb an ihren Fingern kleben. Und der Fischer vergass seine Netze auszuwerfen.
Eine Stimme drang an Jukkas Ohr. Er öffnete die Augen. Vor dem großen Stein stand Aino.
"Was machst du da und stehst mir erhobenen Armen. Und schaust Löcher in die Luft."
Er rieb seine Augen.
"Väinämöinen... "
Aino lachte hell auf.
"Hast wieder geträumt von Väinämöinen. Doch komm herunter und lasst uns fangen spielen. Und vergiss den alten Rauschebart!"
Jukka stand noch einen Augenblick und dachte nach.
"Na, komm schon", rief Aino zum zweiten Male. Dann lachte auch Jukka und sprang vom Stein. Aino rannte davon und Jukka lief ihr nach. Wenn er glaubte, sie greifen zu können, schlug sie wie der Hase einen Haken und Jukka fasste ins Leere. Aino lachte auf und das heitere Spiel begann von vorne. Endlich ließ sich Aino auf den Boden fallen und Jukka warf sich neben sie. Er blickte in zwei blaue Augen, die wie ein See waren und zum schwimmen einluden. Er legte seinen Kopf auf ihre junge Brust. Aino lächelte und fuhr mit der Hand über sein dunkles Haar.
Väinämöinen = Hauptheld des finnischen Nationalepos Kalevala
Ilmarinen = Schmied. Ebenfalls eine Hauptfigur des Kalevala
Aino = finnischer Frauenname
Jukka = finnischer Männername
Manfred
[ Editiert von mande am 28.01.09 6:13 ]
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