
Hertha Vogel-Voll war zwar in den fünfziger Jahren eine gern gelesene Autorin, traf aber mit ihrer Message nicht den Geschmack der Kulturverantwortlichen in der DDR, so dass ihre Märchen und Geschichten 1958 letztmalig verlegt wurden und das in reduzierter Auflage. Desto teuer werden ihre Bücher nun antiquarisch gehandelt und desto dankbarer bin ich, dass der Maechler-Verlag 2003 gegründet wurde, um das Werk von Hertha Vogel-Voll u.a. zu verlegen. Das war zwar wirtschaftlich nicht von Erfolg gekrönt , hat aber u.a. dieses schöne Buch ins Leben gebracht, das nicht nur die 1956 veröffentlichten Märchen enthält sondern um drei bisher darin nicht enthaltene Geschichten beinhaltet.
Das Buch befindet sich in einem Schuber, ist in blaues Leinen gebunden und hat einen goldfarbenen Aufdruck. Gedruckt ist das Buch auf gestrichenem Papier, was ihm Schwere gibt und die Farben der Illustrationen wirken lässt. Es ist reichhaltig illustriert,und die Illustrationen entsprechen inhaltlich dem Erzählten. Ich kann nicht so richtig sagen, ob sie mir gefallen, auf dem ersten Blick nicht, aber es gibt da so viel zu sehen und zu entdecken, und dann gefallen sie mir doch.
Die Märchen sind irgendwie ganz eigen, sehr herzlich erzählt, sehr gut konstruiert und mit Fantasiegestalten, die man noch nie kennengelernt hatte - "das dicke Ende" ist zum Beispiel so eine ganz eigene Gestalt im Märchen "Die Silberne Brücke".
Manchmal wirkten die ab und an verwendeten Verkleinerungs- oder Verniedlichungsfloskeln auf mich etwas antiquiert, Unterröckle, Uhrweiblein,Leberwürstle,Läusle und Mütterchen zum Beispiel; erzählerische Eigenarten, die der Autorin zuzuschreiben sind und nicht der Zeit in der sie schrieb und die mich ein bisschen an Bechsteinmärchen erinnern, aber das tut meiner Freude an den fein gestrickten Märchen keinen Abbruch.Besonders gefällt mir, wenn sie in ihren Märchen gängige Redewendungen oder Formulierungen einbaut und ihnen eine ganz andere Bedeutung gibt. Ob nun "das blaue Wunder", das die volksmundliche Bezeichnung der Loschwitzer Brücke in Dresden ist und im Märchenbuch eine Ding wie eine Kugel, mit Augen, groß wie Untertassen, das bis in den Himmel wachsen kann, wenn es will; oder ein Schuster sich seine Brille eines Tages verkehrt herum aufsetzt und zum Ganzallein wird oder das hier schon erwähnte "dicke Ende"die Leute verschreckt; diese Sinnspielereien sind ein Lesespaß.

