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RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 29.04.2006 16:15von Gemini • | 11.637 Beiträge | 12100 Punkte
Das Nibelungenlied
... ist ein mittelalterliches Heldenepos.
Es entstand im 13. Jahrhundert und wurde in der damaligen Volkssprache Mittelhochdeutsch aufgeschrieben. Der Titel, unter dem es seit seiner Wiederentdeckung Mitte des 18. Jahrhunderts bekannt ist, leitet sich von der Schlusszeile in einer der beiden Haupttextfassungen ab: hie hât daz mære ein ende: daz ist der Nibelunge liet (hier ist die Geschichte zu Ende: das ist das ‚Lied von den Nibelungen‘). Allerdings muss man beachten, dass liet im Mittelhochdeutschen nicht als Lied in unserem Sinne zu verstehen ist, sondern Strophen oder Epos bedeuten kann. Angehängt an das Nibelungenlied ist in den mittelalterlichen Handschriften eine formal eigenständige Erzählung, die das Geschehen fortzusetzen und zu rekapitulieren scheint, die Klage.
Der historische Kern
Das Nibelungenlied ist die hochmittelalterliche deutsche Ausformung der Nibelungensage, deren Ursprünge bis in das heroische Zeitalter der germanischen Völkerwanderungen zurückreichen. Ein historischer Kern der Sage ist die Zerschlagung des Burgundenreiches im Raum von Worms in der Spätantike (um 436) durch den römischen Heermeister Aëtius mit Hilfe hunnischer Hilfstruppen. Weitere historische Ereignisse, die hier vermutlich eine Rolle spielen, sind der Streit im Haus der Merowinger zwischen Brunichild und Fredegunde sowie die Hochzeit zwischen Attila und der burgundischen Prinzessin Ildikó (453). Vgl. dazu den Artikel Nibelungensage.
Verfasser und Entstehung
Der Verfasser des Nibelungenliedes wird im Text nicht genannt. Dies entspricht der Gattungskonvention der Heldenepik, die nicht die literarische Eigenleistung eines Dichters akzentuiert, sondern die Verwurzelung des Erzählstoffes in der mündlichen Überlieferung (altiu maere, Sagen) hervorhebt. Genaugenommen ist bis heute nicht geklärt, ob es eine einzige Originalfassung (und damit einen einzigen Autor) jemals gegeben hat, oder ob es sich eher um einen Redaktor oder gar nur um einen oder mehrere begnadete Rezitatoren von älteren, mündlich überlieferten Stoffen handelt.
Die Entstehung des Texts lässt sich durch in ihm vorausgesetzte politische Strukturen und durch Bezüge zur zeitgenössischen Dichtung auf die Jahre 1180 bis 1210 (und damit auf die Blütezeit der mittelhochdeutschen Literatur) eingrenzen.
Genauere Ortskenntnis des Verfassers, ein Übergewicht der frühen Überlieferung im südostdeutsch-österreichischen Raum und die augenfällige Hervorhebung des Bischofs von Passau als handelnder Figur machen das Gebiet zwischen Passau und Wien als Entstehungsort wahrscheinlich, insbesondere den Hof des als Mäzen bekannten Bischofs von Passau, Wolfger von Erla (Bischof in Passau 1191–1204). Wolfger ist für die Datierung mittelhochdeutscher Literatur von großer Bedeutung, weil sich in seinen Reiserechnungen mit dem Datum 12. November 1203 eine Anweisung befindet, dem Spruchdichter Walther von der Vogelweide Geld für einen Pelzmantel auszuzahlen. Diese Notiz stellt den einzigen außerliterarischen Nachweis für die Existenz dieses Dichters dar und ist damit ein wichtiges Indiz zur zeitlichen Einordnung der mittelhochdeutschen Dichtung, die größtenteils ohne Jahres- und Verfasserangaben überliefert ist. Meist geht man heute davon aus, dass der Dichter des Nibelungenliedes ein sowohl geistlich wie literarisch gebildeter Mann im Umkreis des Passauer Bischofshofs und dass sein Publikum ebenfalls dort unter den Klerikern und adligen Laien zu suchen war.
In einer Art Anhang zum Nibelungenlied, der Nibelungenklage, wird auch von der Entstehung der Dichtung erzählt. Ein Meister Konrad wird genannt, den ein Bischof Pilgrim von Passau mit der Niederschrift beauftragt habe. Man nimmt an, dass dies einen ehrenden Verweis auf einen Amtsvorgänger des mutmaßlichen Förderers Wolfger darstellt, den heiligen Bischof Pilgrim von Passau (971–991).
Suche nach einem Verfasser
Die germanistische Erforschung des Nibelungenlieds ist seit jeher verbunden mit einer geradezu verzweifelten Suche nach einem Verfassernamen. In den letzten Jahrzehnten hat die seriöse Fachwissenschaft diese Suche eingestellt. Besonders seit Michel Foucaults Untersuchungen über die unwillkürliche Fixierung auf den Autor ist deutlich geworden, dass textuelle Anonymität nur für uns Leser der Neuzeit eine unerträgliche Erscheinung ist. Der mittelalterlichen Literatur, zumal der noch weitgehend mündlich verbreiteten Heldenepik, ist dieser Zwang zur Zuschreibung unangemessen. Heute ist es Aufgabe der Mediävistik, die Andersartigkeit mittelalterlicher Dichtung und ihrer (beispielsweise autorlosen) Existenzformen zu beschreiben und zu zeigen, wo der unreflektierte moderne Blick diese Texte verzeichnet.
Vor allem populärwissenschaftliche und heimatgeschichtliche Forschungen haben im Laufe der Zeit das Nibelungenlied an nahezu jeden zwischen 1180 und 1230 im baierisch-österreichischen Raum bezeugten Literaten anknüpfen wollen. Auch heute werden regelmäßig Namen aufs Tapet gebracht. Ausnahmslos handelt es sich dabei um methodisch fragwürdige Außenseiterthesen, die sich der Diskussion in anerkannten Fachzeitschriften nicht stellen. Dazu gehören beispielsweise:
Konrad von Fußesbrunnen (Feuersbrunn, Niederösterreich), urkundlich um 1182 bezeugt. Er ist Autor des in 3.000 Reimpaarversen verfassten Werkes Die Kindheit Jesu und wirkte in Passau. Diese These vertritt Walter Hansen in Die Spur des Sängers (1987, ISBN 3785704550).
Bligger von Steinach
eine unbekannte Niedernburger Nonne (Berta Lösel-Wieland-Engelmann).
Walther von der Vogelweide
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Form und Sprache
Das Nibelungenlied ist in sangbaren vierzeiligen Strophen gedichtet (heute als Nibelungenstrophe bezeichnet), deren Melodie sich jedoch nicht sicher rekonstruieren lässt. Diese metrische Form ist ein Charakteristikum der Heldenepik (vgl. das Kudrun-Epos eines unbekannten Dichters und die Dietrichepik). Gesungene Strophenepik unterscheidet sich aufs deutlichste von der zeitgleichen höfischen Erzählliteratur, vor allem dem Antiken- und Artusroman, die fast ohne Ausnahme in (gesprochenen) Reimpaarversen gehalten ist. In dieser Hinsicht war das Nibelungenlied archaischer als die moderne Ritterliteratur eines Hartmann von Aue, Gottfried von Straßburg und Wolfram von Eschenbach.
Die ca. 2.400 Strophen des Nibelungenlieds sind in 39 âventiuren (sprich: Aventüren) untergliedert, kapitelartige Erzähleinheiten von variabler Länge, die in den meisten Handschriften Überschriften tragen.
An der Sprache und Erzählhaltung des Nibelungenliedes lässt sich ein zweifaches Dilemma ablesen:
Nicht nur die Kluft zwischen mündlicher Improvisationstradition und Literarisierung (Mündlichkeit vs. Schriftlichkeit) wollte überbrückt sein; daneben war auch die Kunde mythisch-heroischer germanischer Vorzeit in ein christlich-hochadelig-höfisches Umfeld zu adaptieren. Der Kern der Nibelungensage muss 700 Jahre lang durch Epensänger rein mündlich tradiert worden sein. Dabei entstanden unzählige Varianten der Geschichte; verschiedene Sagenkreise wurden aneinandergeknüpft, Figuren wechselten ihre Rolle usw. Kein Wille eines Autors konnte den Stoff bewusst formen oder fixieren. Im deutschsprachigen Raum hatte man vor 1200 noch nie eine Umsetzung dieser Sage in eine buchliterarische Form versucht. So weist das Nibelungenlied – als Erstling einer neuen literarischen Tradition – sowohl (inhaltliche) Spuren seiner autorlosen Vorgeschichte wie (sprachliche) Spuren der Dichtersprache der mündlichen Erzählkunst auf; aber zugleich zeigt es Züge des großen antik-historischen Buchepos, an denen sich der Verschriftlichungsprozess sicherlich orientierte.
Die bekannte Eingangsstrophe, ein wohl erst später eingefügter einleitender Zusatz:
Uns ist in alten mæren wunders vil geseit
von helden lobebæren, von grôzer arebeit,
von freuden, hôchgezîten, von weinen und von klagen,
von küener recken strîten muget ir nu wunder hœren sagen.
Viele berühmte Szenen der Sage, wie der Drachenkampf Jung-Siegfrieds etwa, tauchen im Lied selber nur in Form von Erwähnungen auf; die ganze Vorgeschichte wird als bekannt vorausgesetzt. Das Lied ist stilistisch von den Ansprüchen des mündlichen Vortrags geprägt, denn Alltagssprache und Hochsprache mischen sich ebenso, wie bereits damals schon historisches Vokabular und zeitgenössische Begriffe des frühen dreizehnten Jahrhunderts. Kunstvollen literarischen Ton und komplizierte Konstruktionen sucht man vergebens. Viel eher finden wir lange Aufzählungen, wiederkehrende Formulierungen und einfache, fast distanzierte Schilderungen durch den Erzähler, der sich selbst nur an wenigen Stellen des Werks erwähnt.
Die Handlung
Das Nibelungenlied besteht aus zwei Teilen: Im ersten Teil steht Siegfrieds Tod, im zweiten die Rache seiner Gattin Kriemhild im Mittelpunkt. Das räumliche Umfeld ist das Burgundenreich am Rhein, sowie (im zweiten Teil) Südostdeutschland und das Donaugebiet des heutigen Österreichs und Ungarns.
Am Königshof in Worms lebt Kriemhild zusammen mit ihren drei Brüdern Gunther, Gernot und Giselher. Siegfried, ein Königssohn aus Xanten, erscheint bei Hof und fordert Gunther heraus.
Die literarische Version des 12. Jahrhunderts thematisiert anhand der Personen unterschiedliche Konzepte feudaler Gesellschaft: Siegfried verkörpert den klassischen Adligen, dessen Herrschaft auf Gewalt beruht. König Gunther repräsentiert einen Herrscher, dessen Macht sich auf Ministeriale stützt und der den Kampf um Herrschaft delegiert. Der zentrale Konflikt ist der zwischen Vasallität, die Unterordnung und Gehorsam verlangt, und einer modernisierten Feudalherrschaft, die nicht mehr oder nur zum Teil auf dem Lehnswesen fußt.
Der erste Teil stellt in der Hauptrolle Siegfried von Xanten vor, einen anscheinend unbezwingbaren Helden, ausgestattet dazu mit allerlei wunderbaren Hilfsmitteln: einer unsichtbar machenden Tarnkappe, seinem mächtigen Schwert Balmung und seinem legendären Nibelungenschatz des Zwergenkönigs Alberich, dem sogenannten Hort. Er badet im Blut des Drachen, der zuvor den Hort bewachte, um unverwundbar zu werden. Eine Stelle seines Rückens bleibt jedoch verwundbar, da ein Lindenblatt diese beim Bad bedeckt.
Die Stellung Siegfrieds gegenüber den Wormser Königen ist klar: Siegfried ist ein Verwandter und Verbündeter der Wormser. Schwierig wird die Situation erst, nachdem er sich entschlossen hat, Gunther bei der Werbung um Brunhild zu unterstützen. Brunhild verlangt von den Werbern, sie im Kampf besiegen zu können. Das gelingt Gunther nur mit Hilfe Siegfrieds. Siegfried hilft ihm unter einer Tarnkappe versteckt, er gibt sich auch noch, mit dem Wissen der Begleiter (Gunther, Hagen und Dankwart), als ein Lehnsmann Gunthers aus. Um diese Täuschung zu vervollkommnen, leistet Siegfried für Gunther den Stratordienst, er führt Gunthers Pferd vor aller Augen wie ein Knecht am Zügel. Daher glaubt Brunhild, dass Siegfried ein Gefolgsmann Gunthers ist. Um die Ehe (damit auch die politische Einheit Gunther-Brunhild) nicht zu gefärden, darf sie nicht erfahren, dass sie einem Betrug aufgesessen ist. Noch Jahre später bewegt Brunhild immer wieder die Frage nach einer eventuellen Vasallität Siegfrieds. Seine Vermählung mit ihrer Schwägerin Kriemhild erscheint ihr als eine Mesalliance (franz. Missheirat).
In der Hochzeitsnacht (in Worms) fesselt Brunhild Gunther an einen Haken an der Wand. Erst Siegfried bezwingt Brunhild in der zweiten Nacht – wieder mit Hilfe der Tarnkappe. Dabei entwendet er ihren Ring und ihren Gürtel, die klassischen Zeichen für eine erfolgreiche Defloration, obwohl ausdrücklich betont wird, dass Gunther seine Frau selber entjungfert hat.
Viele Jahre später – wobei zu berücksichtigen ist, dass Zeitangaben in mittelhochdeutschen Epen nur als Anhaltspunkte zu verstehen sind – lädt Gunther auf Bitten seiner Frau Siegfried und Kriemhild nach Worms ein. Dabei geraten die Frauen über die Frage nach dem Rang ihrer Männer in Streit: Brunhild erklärt, dass sie mit eigenen Augen beobachtet habe, dass Siegfried Gunther als Vasall und Knecht gedient habe. Kriemhild hingegen kann Ring und Gürtel von Brunhild vorweisen (die ihr Siegfried geschenkt hatte) und nennt sie die Kebse (Mätresse) ihres Mannes. Der Streit (Senna) endet in einem harten Wortwechsel.
Johann Heinrich Füssli, Kriemhild wirft sich auf den toten Siegfried, 1817Hagen von Tronje hält Siegfried für eine Bedrohung des Hofes von Worms. Da für die Könige Gunther, Giselher und Gernot kein hierarchisches Verhältnis zwischen ihnen und Siegfried besteht, können sie auf eine direkte Auseinandersetzung mit dem scheinbar rebellischen Lehnsmann Siegfried verzichten. Hagen verabredet mit Gunther den Mord im Odenwald. Hagen tötet Siegfried mit einer Lanze, als dieser sich zu trinken an eine Quelle beugt. Er hatte Siegfrieds verwundbare Stelle von Kriemhild auf der Kleidung markieren lassen unter dem Vorwand, gerade diese Stelle besonders beschützen zu wollen.
Kriemhild benutzt den Schatz (ihre Morgengabe, daher ihr Eigentum), um fremde Recken an sich zu binden, indem sie ihnen Geschenke macht, aus denen sie eine Verpflichtung herleiten kann. Als Hagen das bemerkt, unterrichtet er Gunther von der Bedrohung. Während die Könige einen Ausflug machen, stiehlt Hagen den Schatz. Der Ausflug dient der Rechtfertigung der Könige, die so vorgeben können, nichts bemerkt zu haben. Kriemhilds Klagen bei ihren Brüdern bleiben fruchtlos, sie weisen die Verantwortung von sich, Hagen zieht sich für eine Weile vom Hof zurück. Damit endet der erste Teil.
Kriemhilds Rachepläne erhalten eine Chance zur Umsetzung, als der Hunnenkönig Etzel sie heiraten will. Schon im Vorfeld sichert sie sich die unbedingte Gefolgschaft Rüdigers von Bechelarn. Hagen versucht die Ehe zu verhindern, er erkennt, dass Kriemhild ihre Macht benutzen wird, um Siegfried zu rächen. Die Könige, besonders Giselher, hoffen aber, sie mit dieser Heirat, die ihr Ehre und Ansehen zurückgeben wird, zu ergetzen, d. h. die Schuld (Siegfrieds Tod) zu sühnen. Kriemhild zieht mit großem Gefolge ins Land der Hunnen und wird dort zu einer mächtigen Monarchin.
Jahre später lädt sie ihre Brüder und Hagen, dem sie den Mord an Siegfried und den Raub des Nibelungenschatzes niemals verziehen hat, ins Land der Hunnen (Ungarn) zu einem Hoffest ein. Der dreijährige Sohn Kriemhilds und Etzels soll christlich getauft werden und ein Bindeglied zwischen beiden Reichen darstellen. Die Eingeladenen vermuten eine Falle, begeben sich jedoch trotzdem auf die Reise entlang der Donau. Während der Reise an Etzels Hof wird Hagen von Meerjungfrauen gewarnt, allen stehe der Untergang bevor, nur ein Mönch werde die bevorstehenden Ereignisse überleben. Hagen will diesen sogleich töten, damit die Prophezeiung sich nicht erfülle, und wirft ihn ins Wasser, aber der Mönch kann sich ans Ufer retten. Die Burgunden weigern sich, am Hof Etzels die Waffen abzulegen: im Feudalismus eine offene Kampfansage und schwere Beleidigung des Gastgebers. Doch Etzel gibt nach und lässt den Gästen die Waffen. Er ahnt nichts von den Racheplänen seiner Frau. Kriemhild versucht mit Hilfe von Etzels Bruder, Hagen töten zu lassen. Das misslingt jedoch. Ebenso kann Kriemhild ihre beiden Brüder Gernot und Giselher nicht zur Abkehr von Hagen bewegen.
Durch Kriemhilds Intrigenspiel kommt es schließlich zum offenen Kampf. Dabei tötet Hagen den gemeinsamen Sohn von Kriemhild und Etzel. Der Hunnenkönig hetzt nun seine Krieger gegen die Ritter vom Rhein. Es kommt zum Blutbad. Im Laufe der Kämpfe gehen die Helden beider Seiten zugrunde; auch Kriemhild wird erschlagen. Allein Dietrich von Bern, sein Waffenmeister Hildebrand und Etzel überleben das Schlachten. Am Ende steht der Erzähler trauernd vor der Bilanz unsagbaren Elends.
Interpretation
Die literarische Vorlage lässt keine psychologische Interpretation der Personen zu. Alle Personen werden mit identischen Attributen beschrieben, die einen feudalen Adligen auszeichnen: Ehre, Treue, Gewaltbereitschaft.
Überlieferung
Der Text des Nibelungenlieds ist in 36 deutschen Handschriften und einer niederländischen Umarbeitung erhalten (daneben existieren zwei Handschriften, die nur die Klage enthalten). Die Handschriften wurden vorwiegend in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gefunden. Die drei ältesten Textzeugen (Haupthandschriften) sind von Karl Lachmann mit Buchstaben (Siglen) folgendermaßen kategorisiert worden:
A = Hohenems-Münchener Handschrift (letztes Viertel 13. Jh.), in der Bayerischen Staatsbibliothek
B = St. Galler Handschrift (13. Jh.), in der Stiftsbibliothek St. Gallen
C = Hohenems-Laßbergische / Donaueschinger Handschrift (1. Hälfte 13. Jh.), seit 2001 in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe
Diese drei Manuskripte gelten gleichzeitig als Hauptvertreter dreier verschiedener Textfassungen, deren Verhältnis zueinander bis heute weitgehend ungeklärt ist. Neben den drei Hauptüberlieferungssträngen (A, B und C) wird man auch von einer breiten mündlichen Tradition ausgehen müssen, deren Rückwirkung auf die schriftlichen Fassungen jedoch schwer einzuschätzen ist.
Weiterhin gruppiert man die Handschriften bzw. ihre Textfassungen nach dem letzten Vers des Textes. So enden Handschrift A und B mit dem Text: daz ist der Nibelunge not (das ist der Untergang der Nibelungen). Diese Texte werden darum als Not-Fassung bezeichnet. Handschrift C allerdings endet auf daz ist der Nibelunge liet (das ist das Lied/Epos von den Nibelungen).
Dieser Text wird darum Lied-Fassung genannt.
Nibelungenkenntnis im deutschen Mittelalter
Der nibelungische Stoff war im deutschen Sprachraum das ganze Mittelalter hindurch sehr bekannt und verbreitet. Dichter und Geschichtsschreiber erwähnen gelegentlich Figuren oder Konstellationen der Sage; dabei kann man jedoch kaum je entscheiden, ob die Kenntnis auf das Nibelungenlied (oder eine seiner Vorstufen) selbst zurückgeht oder ob es nicht auch ganz andersartige Fassungen (Teilversionen) dieses Stoffes gegeben hat.
So erzählt im 10. Jahrhundert ein sanktgallischer Mönch in dem lateinischen Schulepos Waltharius Hagens und Gunthers Vorgeschichte, die im Nibelungenlied in der 28. Aventiure in der Strophe 1756 und in der Aventiure 39. in der Strophe 2344 anklingt. Auch dem lateinischen Ruodlieb des 11. Jahrhunderts hat man nachgesagt, dass er von Siegfrieds Biographie angeregt gewesen sein könnte. Um 1165–1175 erwähnt der Kleriker Metellus von Tegernsee (Ode 30) ein bei den Teutones berühmtes Lied von Graf Roger (Rüdiger) und Dietrich. Etwa zur selben Zeit muss sich der Bischof Gunther von Bamberg von seinem Domscholaster Meinhart dafür rügen lassen, dass er sich immer nur mit den Amelungen (Dietrich von Bern) beschäftigt – damit ist die Heldenepik insgesamt angesprochen.
Der Spruchdichter Herger (2. Hälfte des 12. Jahrhunderts) vergleicht Wernhart von Steinsberg (bei Sinsheim) mit Rüedeger von Bechelaeren (26,2). Damals war also am Mittel-/Oberrhein in Adelskreisen der Nibelungenstoff gut bekannt. Der dänische Geschichtsschreiber Saxo Grammaticus berichtet um 1200 von einem Lied cuiusdam parricidii (von einem gewissen Verrat), mit dem ein sächsischer Sänger den 1131 ermordeten schleswigschen Herzog Knut habe warnen wollen. Saxo selbst denkt dabei an notissimam Grimilde erga fratres perfidiam (die berühmte Treulosigkeit Kriemhilds gegenüber ihren Brüdern). Auch die Versenkung des Nibelungenhorts im Rhein war sprichwörtlich. Der Minnesänger Otto von Botenlauben spielt in einem seiner Lieder darauf an (ze loche in dem rine). Literarisch bedeutsame Querbeziehungen hat das Nibelungenlied insbesondere mit dem vermutlich nahezu gleichzeitig entstandenen Parzival-Roman Wolframs von Eschenbach.
Mitte des 13. Jahrhunderts erwähnt der gelehrte Wanderdichter Marner Kriemhilds Verrat an ihren Brüdern, Siegfrieds Tod und den Nibelungenhort als Publikumsrenner, die er jedoch selbst nicht im Programm habe. Hugo von Trimberg spricht in seiner höfischen Lehrschrift Renner in einer ähnlichen Aufzählung von gern gehörten Erzählstoffen von Kriemhilds mort, von Siegfrieds Drachen und vom Nibelungenhort (V. 16183ff.).
Der Nibelungenstoff im Spätmittelalter
Aus dem 15. Jahrhundert stammen Fassungen des Nibelungenlieds, die es im Grunde zu neuen Texten umarbeiten. Generell besteht in der handschriftlichen Überlieferung die Tendenz zur Integration des Stoffes in das Leben des Dietrich von Bern. In diesen Fassungen werden beispielsweise der erste Teil stark reduziert (z. B. n) oder neue motivliche Anbindungen gesucht (z. B. Heldenbuch-Prosa um 1480: Burgundenuntergang als Kriemhilds Rache an Dietrich für den Mord an Siegfried im Rosengarten zu Worms).
Im 16. und 17. Jahrhundert wird das strophische Lied vom Hürnen Seyfried (Vom verhornten Siegfried) gedruckt, das in Details wohl auf das 13. Jahrhundert zurückgeht und manche Züge aufweist, die sonst nur die nordische Überlieferung kennt. Der Vater Kriemhilds heißt hier Gybich (nord. Gjuki); Günther, Hagen und Gyrnot sind Brüder.
1557 dramatisiert Hans Sachs in seiner Tragedj mit 17 personen: Der Huernen Sewfrid das Lied. Im 17. bis 19. Jahrhundert blieb der Stoff populär, wie an den mehrfachen Auflagen des Volksbuchs mit dem Titel Eine Wunderschöne Historie von dem gehörnten Siegfried abzulesen ist. Der älteste bekannte (jedoch nicht erhaltene) Druck dieser Prosa-Umarbeitung erschien 1657 in Hamburg. Dem Zeitgeschmack entsprechend heißt Kriemhild hier Florimunda (Florigunda?).
Rezeptionsgeschichte
Nach der Wiederentdeckung der Handschriften des Nibelungenlieds durch Johann Jakob Bodmer (1757/1767) und der ersten vollständigen Übertragung durch Christoph Heinrich Myller (1782) wusste die Aufklärung zunächst wenig mit dem Stoff anzufangen. Am 22. Februar 1784 schrieb Friedrich der Große an Myller, der das Werk (unter anderen) dem König gewidmet hatte, folgendes:
Hochgelahrter, lieber Getreuer!
Ihr urtheilt viel zu vorteilhafft von denen Gedichten aus dem 12., 13. und 14. Seculo, deren Druck Ihr befördert habet, und zur Bereicherung der Teutschen Sprache so brauchbar haltet. Meiner Einsicht nach sind solche nicht einen Schuss Pulver werth; und verdienten nicht aus dem Staube der Vergessenheit gezogen zu werden. In meiner Bücher-Sammlung wenigstens würde Ich dergleichen elendes Zeug nicht dulten; sondern herausschmeißen. Das Mir davon eingesandte Exemplar mag dahero sein Schicksal in der dortigen großen Bibliothek abwarten. Viele Nachfrage verspricht aber solchem nicht,
Euer sonst gnädiger König Frch.
Erst nach Goethes freundlichem Urteil über das köstliche Werk (der das Nibelungenlied bekanntlich selbst in seiner Bibliothek als unaufgeschnittenes Exemplar hatte) und seiner Forderung, das Heldenlied in eine epische Form zu bringen, setzen in der Romantik zahlreiche Bemühungen um eine dramatischen Neuformung ein. Seitdem wurden zwei Wege eingeschlagen: Teilweise wurde der Stoff des Nibelungenlieds bearbeitet, teilweise griffen die Autoren auf die Sigurd-Brünhild-Version zurück, die ältere Wölsungensaga, mit den zugehörigen Fragmenten aus der Edda.
Von den zahlreichen Bearbeitungen des neunzehnten Jahrhunderts sind heute nur noch drei Werke von Interesse, die Trilogie Der Held des Nordens, eine dramatische Bearbeitung von Friedrich de la Motte Fouqué, Hebbels Drama und Wagners Ring des Nibelungen.
Fouqués dramatisches Gedicht folgt im ersten Teil „Sigurd, der Schlangentödter“ der nordischen Tradition: Sigurd befreit Brynhild aus der Waberlohe, heiratet aber nach einem Vergessenstrank Gunnars Schwester Gudrun, hilft Gunnar bei der Werbung um Brynhild, die nach seiner Ermordung durch einen Bruder Gunnars Selbstmord begeht. Im zweiten Teil „Sigurd's Rache“ heiratet Gudrun – erneut unter dem Einfluss eines Zaubertranks ihrer Mutter – den Hunnenkönig Atli. Er will sich in den Besitz des Horts bringen und lädt die Brüder in sein Land ein. Nach deren Ermordung tötet Gudrun ihre eigenen Kinder und setzt sie Atli als Speise vor. Schließlich wird Atli ermordet, und Gudrun wählt wie Brynhild den Freitod. Der dritte Teil „Aslauga“ erzählt, angelehnt an ein Bruchstück aus der Edda, das womöglich auf eine Sage der Ostgoten zurückgeht, das Geschick der Tochter Sigurds und Brynhilds: Sie wächst bei Hirten als Hütemädchen auf, wird aber wegen ihrer Schönheit vom König von Dänemark geheiratet, worauf die üblichen Verwicklungen folgen. Im Gegensatz zur ostgotischen Sage geht die Geschichte gut aus.
Fouqué hatte mit dem Werk beim Publikum großen Erfolg und erhielt auch von anderen Dichtern der Zeit wie Jean Paul, Chamisso und Rahel Varnhagen großes Lob. Heine dagegen bemängelte die fehlende Charakterisierung der Personen und das Fehlen der dramatischen Spannung. Diese Meinung hat sich durchgesetzt, und seit fast 100 Jahren gibt es keine Ausgabe des Werkes mehr. Wichtiger als das Werk selbst ist aus heutiger Sicht seine Wirkung auf Richard Wagner, der im „Ring des Nibelungen“ viel von Fouqué übernommen hat, ja sogar bezüglich des Versbaus und des Sprachrhythmus als Fouqués Schüler betrachtet werden kann.
Hebbel hält sich im Gegensatz zu Fouqué im Handlungsverlauf seiner Trilogie an das Nibelungenlied und blendet den mythologischen Hintergrund der Vorgeschichte weitgehend aus. Seine Figuren sind in unterschiedlicher Ausprägung Typen und Individuen zugleich und dadurch ohne durchgängige Motivation. Brunhild wird zum Ding, zum Tauschobjekt erniedrigt, Kriemhild am Ende wie im Nibelungenlied quasi kommentarlos erschlagen. Wegen der Schlussworte wurde in das Stück mitunter ein geschichtsphilosophisches Anliegen hineininterpretiert (Ablösung der mythischen Welt der Riesen durch das Christentum), aber in Hebbels Äußerungen lassen sich dafür keine Hinweise finden. Hebbels Stück fand auf dem Theater eine günstige Aufnahme und verdrängte die anderen dramatischen Bearbeitungen fast vollständig von den deutschen Bühnen – auch die Fassung von Geibel, der den Stoff zu einem bürgerlichen Trauerspiel umformte.
Im Gegensatz zu Goethe äußerte sich Heinrich Heine (1797–1856) negativ über den Ton des Nibelungenlieds: „Es ist eine Sprache von Stein, und die Verse sind gleichsam gereimte Quadern. Hie und da, aus den Spalten, quellen rote Blumen hervor wie Blutstropfen oder zieht sich der lange Epheu herunter wie grüne Tränen.“
Friedrich Hebbel „Die Nibelungen“ (Schulausgabe um 1900, Wien/Brünn)Trotz Heines Kritik erlangte der Stoff im 19. Jahrhundert den Rang eines deutschen Nationalepos. Zusätzlich zu den Theaterfassungen entstanden viele z. T. illustrierte Ausgaben (z. B. von Alfred Rethel, 1840, und von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1843).
In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts diente das Nibelungenlied mehreren Romanen mit nationalistischer Tendenz, die heute zu Recht vergessen sind, als Vorlage. Mit dem Stück „Der Nibelungen Not“ knüpfte Max Mell an die Wölsungen-Variante, Wagners Mythologisierung und das Walkürenmotiv an. Er konzentrierte das Geschehen auf die bühnenwirksamen Höhepunkte. Im ersten Teil: Siegfrieds und Kriemhilds Ankunft in Worms, der Streit der Königinnen, Siegfrieds Ermordung, Brünhilds Freitod in den Flammen und ihre Rückkehr in den Bereich der Götter. Im zweiten Teil: Empfang der Burgunden an Etzels Hof, Racheintrige Kriemhilds, Untergang der Burgunden, Kriemhilds Ermordung und ein Schluss, der der Dietrichsage entnommen ist (Dietrich reitet auf seinem Pferd davon).
Im Nationalsozialismus feierte man die Wiederkehr der germanischen Größe und des Heldentums, der germanischen Gefolgstreue und des männlichen Rittertums und unterlegte die Idee des deutschen Volkstums mit diesen „germanischen Tugenden“. Man berief sich auf die schöpferischen Kräfte der Germanen, denen das Dritte Reich wieder Lebensmöglichkeiten gebe. Das Nibelungenlied wurde so als Vehikel nationaler Ideen instrumentalisiert und missbraucht. Wie z. B. von Hermann Göring, der die Lage der deutschen Soldaten im Kessel von Stalingrad mit der Lage der Nibelungen im brennenden Saal verglich („Wir kennen ein gewaltiges historisches Lied...“) – Anscheinend kannte er das Stück nicht wirklich, denn der Ausgang war hie und da derselbe. Nach 1945 war das Nibelungenlied wegen der Inanspruchnahme des Stoffes durch den Nationalsozialismus zunächst mit einem Tabu belegt, und jahrelang gab es keine zeitgemäße Prosafassung. Erst seit dem Einströmen von Fantasy-Elementen in die literarische Unterhaltungsliteratur (schon in J. R. R. Tolkiens Werken (Herr der Ringe) lassen sich etliche Elemente der Nibelungensaga (das Ring-Motiv!) wiederfinden) beschäftigten sich mehrere Romane aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit dem Thema. Z. B. folgt „Rheingold“ von Stephan Grundy der Wölsungen-Linie, „Siegfried und Krimhild“ von Jürgen Lodemann dagegen dem Nibelungenlied, in drei anderen Romanen steht entweder Kriemhild (Roman von Sabina Trooger), Hagen (Siehe Wolfgang Hohlbeins Roman „Hagen von Tronje“) oder Brünhild im Mittelpunkt. Der Roman „Sigfrieds Tochter“ von Eric Gutzler verknüpft die Wölsungensaga mit dem Nibelungenlied zu einem durchgehenden Handlungsstrang und erweitert den Stoff zu einem historischen Fantasy-Roman, in dem Sigfrieds Tochter im Brennpunkt steht.
RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 03.05.2006 10:27von Zwilli • | 1.389 Beiträge | 1389 Punkte
"Das Nibelungenlied"
"Mittelalterliche deutsche Geschichtsdichtung:
Vom Heldenlied zur Reimchronistik"
Prof. Dr. Metzner
Jahrgang: 1997
Referentin: Stephanie Junkers
1) Inhaltsangabe
Das Nibelungenlied besteht aus 39 Aventiuren. Inhaltlich läßt sich das Epos am besten in zwei Teile gliedern. Die Aventiuren 1-19 erzählen die Geschichte von Siegfried und Kriemhild, die Aventurien 20-39 von Kriemhilds Rache an den Nibelungen.
Das Epos beginnt mit der Vorstellung der Burgundin Kriemhild, die mit ihrer Mutter Ute und ihren Brüdern, den Königen Gunther, Gernot und Giselher in Worms lebt. Gefährten der drei Könige sind Hagen von Tronje, sein Bruder Dankwart, Ortwin von Metz, Gere, Eckewart, Volker von Alzey, Rumold, Sindold und Hunold. Siegfried ist der Sohn von Sieglinde und König Sigmund und wuchs in Xanten am Niederrhein auf. Als Siegfried von der Schönheit Kriemhilds erfährt, faßt er den Entschluß, nach Worms zu ziehen und um sie zu werben. Nachdem es in Worms fast zum Kampf zwischen Siegfried und den Burgundern gekommen wäre, wird er doch als Gast am Hof willkommen geheißen. Siegfried lebt nun einige Zeit bei den Burgundern, immer in der Hoffnung, eines Tages um Kriemhilds Hand anzuhalten.
Auch Kriemhild verliebt sich in Siegfried. Als die Sachsen und die Dänen die Burgunder angreifen, verdanken die Burgunder Siegfried einen glorreichen Triumph. Als nun König Gunther von Königin Brünhild von Island hört, beschließt er, um sie zu werben. Siegfried rät ihm ab, weil er weiß, daß jeder Bewerber in einem Wettkampf gegen Brünhild antreten muß, an dem bisher jeder scheiterte und so sein Leben verlor. Gunther läßt sich aber nicht von seinem Plan abbringen. Mit der Aussicht, Kriemhild zur Frau zu erhalten, verspricht Siegfried, Gunther bei der Brautwerbung zu helfen. Tatsächlich überlisten Siegfried und Gunther Brünhild. Mit Hilfe der Tarnkappe aus dem Nibelungenschatz wird Siegfried unsichtbar und trickst Brünhild im Wettkampf gegen Gunther aus. So wird sie Gunthers Frau und Kriemhild wird mit Siegfried vermählt. Brünhild verweigert Gunther jedoch den Beischlaf. Erst als Siegfried an Gunthers Stelle Brünhilds Widerstand im Bett bricht, läßt diese ihren Mann gewähren. Siegfried stiehlt Brünhilde nach dem Kampf ihren Ring und ihren Gürtel und schenkt beides seiner Frau Kriemhild. Siegfried und Kriemhild ziehen dann nach Xanten. Dort gebiert Kriemhild nach 9 Jahren einen Sohn, der Gunther getauft wird. Auch Brünhild gebiert in Worms einen Sohn, der auf den Namen Siegfried getauft wird. Auf Brünhilds Wunsch laden die Burgunder Siegfried und Kriemhild nach Worms ein. Dort jedoch geraten Kriemhild und Brünhild in Streit. Brünhild behauptet, Siegfried sei nur ein Vasall Gunthers und deshalb mit ihm nicht auf eine Rangstufe zu stellen. Kriemhild bestreitet dies. Die beiden Frauen treten nun in Konkurrenz zueinander und versuchen, sich gegenseitig zu erniedrigen und zu übertrumpfen. Kriemhild berichtet Brünhild, daß Siegfried, nicht Gunther, sie im Bett besiegt und zur Frau gemacht hat und zeigt ihr den gestohlenen Ring. Brünhild beschuldigt Kriemhild, den Ring entwendet zu haben. Daraufhin wiederholt Kriemhild ihre Anschuldigung und zeigt Brünhild den gestohlenen Gürtel. Nun schreiten die Könige ein. Siegfried weist die Anschuldigungen von sich und Gunther spricht ihn frei. Brünhild und Kriemhild bleiben jedoch verfeindet. Hagen plant nun, Brünhilds Schmach zu rächen und versucht auch, andere Könige und Recken von seinem Mordgedanken zu überzeugen. Gunther und Hagen täuschen eine Kriegserklärung der Sachsen und Dänen vor. Siegfried verspricht, mit den Königen in den Kampf zu ziehen. Mit der Vorgabe, Siegfried beschützen zu wollen, entlockt Hagen Kriemhild Siegfrieds Geheimnis. Nachdem Siegfried in seiner Jugend den Drachen erschlug, badete er in dessen Blut, um Unverwundbarkeit zu erlangen. Zwischen die Schulterblätter flog aber beim Baden ein Lindenblatt, dorthin konnte kein Blut gelangen und Siegfried ist an dieser Stelle doch verwundbar. Nachdem es dann nicht zum Kampf mit den Sachsen und Dänen kommt, fahren die Helden stattdessen auf eine Jagd. Während der Jagd ermordet Hagen Siegfried mit dessen eigenem Speer. Die Helden versuchen, diesen heimtückischen Mord zu vertuschen, aber Kriemhild ahnt sofort, dass Hagen die Tat beging. Kriemhild und alle einstigen Gefährten Siegfrieds schwören Rache. Nach der Beerdigung kehrt König Sigmund allein zurück in die Niederlande. Kriemhild bleibt bei ihrer Verwandtschaft. Dreieinhalb Jahre lang spricht sie nicht mehr mit Gunther und Hagen, dann versöhnt sie sich wieder mit Gunther. Die Männer überreden Kriemhild, den Hort der Nibelungen als die ihr zustehende Morgengabe nach Worms zu holen. Kriemhild verwaltet den Schatz nun sehr freigiebig. Hagen befürchtet, dass Kriemhild mit ihrem Reichtum Ritter an sich bindet, um mit deren Hilfe Rache an ihm und den Brüdern zu üben. Er stiehlt den Hort der Nibelungen und versenkt ihn im Rhein. So endet der erste Teil des Epos.
Im zweiten Teil erfährt der König der Hunnen, Etzel (nordisch: Attila) von der edlen Kriemhild. Etzel beschließt, um sie zu werben und schickt mit diesem Auftrag den Markgrafen Rüdiger von Bechelaren (Pöchlarn) nach Worms. Hagen rät von der Hochzeit ab, da er ahnt, dass Kriemhild mit Hilfe der Hunnen an den Burgundern Rache nehmen könnte. Kriemhild willigt in die Heirat ein, obwohl sie Christin und
Etzel Heide ist. So zieht sie mit ihrer Gefolgschaft, Rüdiger und dessen Gefolgsleuten zu Etzel. Auf dem Weg besuchen sie noch Kriemhilds Onkel, den Bischof von Passau. Nach der Hochzeit in Wien leben Kriemhild und Etzel in Etzelburg (Gran). Kriemhild gebiert nach sieben Jahren einen Sohn, der Ortlieb getauft wird. Nach weiteren sechs Jahren überredet Kriemhild Etzel, ihre Brüder und deren Gefolgsleute nach Etzelburg einzuladen. Sie gibt vor, Sehnsucht nach ihnen zu haben, aber in Wirklichkeit will sie Rache für Siegfried nehmen. Hagen rät den Burgunderkönigen ab, die Einladung anzunehmen, aber als diese nicht auf Hagen hören wollen, will er nicht als Feigling dastehen und fährt mit. Unterwegs bringt Hagen einen Fährmann um, um den Rhein überqueren zu können, und provoziert so einen Kampf mit den Bayern Else und Gelfrat. Vorher prophezeien ihm einige Meerfrauen, dass außer dem Kaplan des Königs keiner der Burgunden diese Reise überleben wird. Um die Voraussage der Meerfrauen zu überprüfen, versucht Hagen, den Kaplan zu ermorden, aber dies mißlingt ihm. Hagen weiß nun, daß den Burgunden ihn Etzelburg der Tod erwartet. Bei Rüdiger von Bechelaren bleibt der Königszug vier Tage zu Gast und Giselher verlobt sich mit Rüdigers Tochter Gotelint. Als Dietrich von Bern von dem anstehenden Besuch der Burgunder bei den Hunnen hört, warnt er diese vor der Gefahr durch Kriemhild. Dennoch kehren die Burgunder nicht um. Nach der Ankunft in Etzelburg sucht Kriemhild nach einer Möglichkeit, die Burgunder anzugreifen, aber sie sind vorsichtig. Trotzdem nehmen die burgundischen Ritter am Wettkampf teil. Kriemhild bittet Dietrich von Bern um seine Unterstützung für ihre Rachepläne, aber dieser lehnt ab. Blödel jedoch verspricht, ihr im Tausch für eine Grenzmark zu helfen.
Er beginnt den Kampf, indem er und seine Leute Dankwart, zwölf Ritter und 9000 Knappen angreifen. Blödel wird von Dankwart erschlagen, der als einziger Burgunder überlebt und die Könige und deren Gefolge warnt. Daraufhin erschlägt Hagen das Kind Ortlieb. Im weiteren Verlauf verlieren viele tausend Ritter Etzels das Leben. An Etzels Seite kämpfen auch Iring von Dänemark, Irnfried von Thüringen, Rüdiger von Bechelaren, der wegen der Verlobung seiner Tochter mit Giselher vor einem Gewissenskonflikt steht, und Dietrich von Bern samt tausende von ihren Gefolgsleuten. Etzel selber kämpft nicht. Am Ende überlebt auf der Seite der Kämpfer für die Hunnen nur Dietrich, der die letzten lebenden Burgunder, Hagen und Gunther, gefangen nimmt. Dietrich übergibt Kriemhild die Gefangenen mit der Bitte, sie zu schonen. Kriemhild verspricht es. Um aber von Hagen das Versteck des Nibelungenhortes zu erfahren, läßt sie Gunther töten. Als Hagen ihr dann immer noch nicht das Versteck verraten will, köpft Kriemhild ihn mit Siegfrieds Schwert. Daraufhin tötet Hildebrand, ein Gefolgsmann Dietrichs, Kriemhild, da sie es als Frau wagte, einen Recken zu töten. So endet das Nibelungenlied.
2) Historischer Hintergrund
Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Teil. Der erste Teil hat mit der Gestalt Siegfrieds eher einen mythischen Charakter. Es läßt sich für die Siegfried-Brünhild bzw. Siegfried-Kriemhild-Saga nur schwer eine historische Parallele finden. 566 oder 567 heiratet der austrasische Frankenkönig Sigibert I. (Merowinger) Brunhild, Tochter des westgotischen Königs Athanagild. Sigiberts Bruder Chilperich I. von Neustrien heiratet Brunhilds Schwester Galswintha. Fredegund, einstige Mätresse Chilperichs, überredet ihn zum Mord an seiner Gemahlin. Nach dem Mord heiraten Chilperich und Fredegund. Brunhild und Fredegund sind sich spinnefeind. Auf Brunhilds Drängen hin führt Sigibert Krieg gegen Chilperich. 575 stirbt Sigibert I., wahrscheinlich auf Wunsch Fredegunds. 584 wird Chilperich ermordet, wahrscheinlich als Rache durch Brunhild. 613 wird Brunhild von Chlotar II. von Neustrien gefangengenommen und ermordet. Brunhild regierte zeitweilig in Worms. Ob der Burgunderkönig Gundahar in Worms regiert hat, ist hingegen nicht belegt. Die historische Brunhild paßt eher zur Figur der Kriemhild und die historische Fredegund zur Figur der Brünhild. Daß aber die Namen so eklatant vertauscht wurden, ist für Heldenepen untypisch. Orte wurden öfters geändert, um einen stärkeren Bezug zum Publikum zu finden. Namen großer Helden und anderen historischen Personen wurden dagegen möglichst beibehalten, wohl weil unter anderem auch die historischen Personen dem Publikum bekannt waren. Dennoch ist es durchaus wahrscheinlich, daß die Geschichte vom Frankenkönig Sigibert I. mit dem mythischen Held und Drachentöter Siegfried im Nibelungenlied verknüpft wurde. Bei den Germanen klangen die Namen der Familienangehörigen oft ähnlich. Bei den Merowingern gab es Namen mit den Anfangssilben "Sigi", leider sind heute nur noch Sigibert I. und Sigivald bekannt. Viele Nibelungenforscher versuchten nun, einem der beiden die Gestalt des Siegfried zuzuschreiben. Aber auch andere Möglichkeiten wurden überdacht. Nach Helmut de Boor könnte Siegfried auch der vertriebene Sohn eines ripuanischen Fürstenhauses sein, der im ersten Drittel des 5. Jh. am burgundischen Hof aufgenommen wurde. Andere verglichen Siegfried mit dem ostgotischen Heerführer Uraja oder dem Cheruskerfürsten Arminius. Mit Arminius verbindet Siegfried ein früher Tod durch Verwandtenmord. Xanten, Siegfrieds Zuhause, ist Zentrum der Arminiusüberlieferung. Der Sieg Arminius' über Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr. könnte, nach Otto Höfler, im Drachenkampf mythisch überhöht worden sein. Einige Forscher wie Franz Rolf Schröder halten es jedoch für wahrscheinlicher, daß die Gestalt Siegfrieds ganz aus der Mythen- und Märchenwelt kommt. Siegfried wurde besonders im 19. Jh. mit allen möglichen germanischen Göttern verglichen.
Weitaus einfacher läßt sich zum zweiten Teil des Nibelungenliedes, dem Untergang der Burgunder, eine historische Parallele finden. Von 406 bis 413 eroberte der Burgundenkönig Gundahar(ius) nach Überquerung des Rheins linksrheinische Gebiete. Sitz des Königs war wahrscheinlich Worms oder Mainz. Möglicherweise waren die Burgunder Föderaten Roms. Die Burgunden versuchten, ihr Gebiet in nordwestlicher Richtung gegen die römische Provinz Belgica auszudehnen. 435/436 wurden sie vom weströmischen Heermeister Aëtius geschlagen. 436/437 wurden die Burgunden dann von den Hunnen, die wohl Hilfstruppen Aëtius' waren, vernichtend besiegt. Gundahar, die ganze Familie und ein großer Teil des burgundischen Volkes wurden getötet. Später schreibt der spanische Bischof Hydatius von 20.000 Toten. Im Jahr 443 überläßt Aëtius den restlichen Burgundern ein neues Gebiet in der Sapaudia, dem heutigen Savoyen, an der oberen Rhône und der Saône gelegen. Einige Burgunden blieben in ihrer alten Heimat am Rhein. Ab 461 war Lyon neue burgundische Residenz. In den Folgejahren dehnten sich die Burgunder noch bis zum Mittelmeer aus und adaptierten teilweise die römische Kultur. Im burgundischen Recht, Lex Gundobada oder Lex Burgundionum genannt, das vor König Gundobads Tod 516 aufgezeichnet wurde, werden unter anderem auch die Könige Gibica, Gundomar, Gislahar und Gundahar erwähnt. Gibica entspräche dem altnordischen Gjúki und dem mhd. Gibiche und so dem Vater der burgundischen Brüder in fast allen Nibelungengeschichten - nur im Nibelungenlied heißt der Vater Dankrat. Gundahar ist wohl zweifelsfrei König Gunther, Gundomar wahrscheinlich Gutthorm bzw. Gernot und Gislahar entspräche Giselher. 534 wurden die Burgunder endgültig von den Franken besiegt und ihr Gebiet dem fränkischen Reich angegliedert. Bei der Schlacht 436/437 wurden die Hunnen nicht von Attila d. h. Etzel angeführt. Erst 441 wird Attila Alleinherrscher der Hunnen, nachdem sein Bruder Bleda, im Nibelungenlied Blödel genannt, ermordet wurde. Die Schlacht von 436/437 wird im Nibelungenlied wohl mit der Schlacht auf den katalaunischen Feldern im Jahr 451 vermischt. Dort kämpften die Hunnen unter Attlia zusammen mit den rechtsrheinischen Burgunden gegen Aëtius, die sapaudischen Burgunden und den westgotischen König Theoderich I. und seine Truppen. Attila wird besiegt, überfällt dann noch die Poebene und zieht dann wieder zurück zur Theiß. 453 stirbt Attila in der Hochzeitsnacht mit der Germanin Hildico an einem Blutsturz. Bald kam es um Attilas Tod zur Mythenbildung z. B. wurde vermutet, Attila wurde durch seine Frau umgebracht. So auch Poeta Saxo im 9. Jh., der als Motiv Rache für den Vater vermutete. Hildico wurde von Forschern als Hildchen zu deuten versucht, aber dies ist eher unwahrscheinlich (Gottfried Schramm). Im 13. Jh. schrieb Simon von Kéza die "Chronica Hungarorum", deren Grundlage aber wohl ältere Quellen sind. In der Chronik wird von Machtkämpfen am hunnischen Hof nach Attilas Tod berichtet. Im Mittelpunkt stehen zwei Söhne Attilas, einer von einer Griechin, einer von der Germanin Crimildis. 15 Tage dauern die Kämpfe, in denen die Halbbrüder starben und die Hunnen untergingen. Erst drei Jahre nach Attilas Tod wird der Ostgotenkönig Theoderich der Große, der im Nibelungenlied als Dietrich von Bern auftaucht, geboren. Den Namen "von Bern" erhielt Theoderich nach der Stadt Verona. Eine ganz andere geschichtliche Grundlage des Stoffes vom Untergang der Burgunden sah Heinrich Kunstmann. In der These vom "bairischen Bulgarenmord" steht ein bulgarischer Stamm für die Burgunden. 631 oder 632 wurden sie von den Baiern auf Befehl des fränkischen Königs Dagobert I. bekämpft. Laut dem fränkischen Geschichtsschreiber Fredegar starben bei der Schlacht 8300 von 9000
Bulgaren. Alles in allem ist diese These von Kunstmann doch sehr unwahrscheinlich. Der Vergleich des Burgundenunterganges im Nibelungenlied mit den tatsächlichen Ereignissen im 5. Jh. liegt näher.
3) Quellen
Es gibt insgesamt 35 handschriftliche Überlieferungen des Nibelungentextes. Von manchen sind nur Bruchstücke erhalten. Bis auf eine Handschrift enthalten alle vollständigen Schriften die "Klage". Zwei Fragmente enthalten nur Verse aus der "Klage" und können so nicht als Quelle für das Nibelungenlied dienen. Ein Fragment enthält die Übersetzung des Nibelungenliedes ins Niederländische. Demnach gibt
es also eigentlich nur 32 deutsche Handschriften des Textes, von denen die meisten in Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gefunden wurden. Die wichtigsten Handschriften sind in Karl Lachmanns Einteilung mit A, B und C bennannt worden: Handschrift A ist die Hohenems-Münchener Handschrift aus dem letzten Viertel des 13. Jh.. Handschrift B ist die St. Galler Handschrift aus dem 13. Jh.. Die Handschrift C ist die Hohenems-Laßbergische oder auch Donaueschinger Handschrift aus der 1. Hälfte des 13. Jh. Man geht von einem verlorenen Original aus, welches allen drei bzw. allen 32 Handschriften zugrunde liegt. Lachmann nahm an, dass Handschrift A dem "Original" am nächsten kommt und Version C die am weitestgehendsten veränderte der drei ist. Andere Forscher nach Lachmann sahen in der Handschrift B (z. B. Adolf Holtzmann) oder in Handschrift C (u.a. Friedrich Zarncke) die dem Original
nahestehendste Version. Karl Bartsch entwickelte 1865 die These, dass das Nibelungenlied um 1140/50 entstand, um 1170/80 in zwei Versionen, *B und *C, bearbeitet wurde und die Handschriften B und C zwei Rezensionen dieser Bearbeitungen darstellen. Die Handschrift A ist bei Bartsch nur eine Abwandlung der Handschrift *B. *B blieb nach ihm näher am Original als *C. 1876 stimmt Hermann Paul Bartschs Thesen teilweise zu, die Datierung hält er jedoch für falsch. Früher als 1190 würde er die Entstehung des Epos nicht ansetzen. Im Jahr 1900 setzt Wilhelm Braunes die Handschrift B als die dem Original nahestehendste fest. Einig wurden sich die Forscher dennoch nie. In neuerer Zeit scheint sich durchgesetzt zu haben, daß der Archetypus nicht eindeutig bestimmt werden kann und daß jede Rekonstruktion des Archetypus niemals mit dem "Original" gleichgesetzt werden kann.
4) Stoffgeschichte
Im Nibelungenlied sind drei Sagenkreise ineinander verflochten. Die Haupthandlung des Epos besteht aus der Brünhildsaga im ersten Teil und der Burgundensaga im zweiten Teil. Ein dritter Sagenkreis um die Abenteuer des jungen Siegfrieds wird lediglich kurz angedeutet (z. B. in der dritten Aventiure).
4.1) Die deutsche Nibelungendichtung
Nach Andreas Heusler entstanden im 5./6. Jh. zwei voneinander getrennte Lieder, die die beiden Hauptsagenkreise beinhalten: Das "Fränkische Brünhildlied" und das "Fränkische Burgundenlied". Ins 8. Jh. setzt Heusler ein "Bairisches Burgundenlied". Im 12. Jh. entstand dann nach ihm das "Jüngere Brünhildlied" spielmännischen Charakters und gegen 1160 das "Österreichische Burgundenepos", die sogenannte "Ältere Not". Aus der Verknüpfung und Anschwellung des "Jüngeren Brünhildliedes" und der "Älteren Not" entstand "Das Nibelungenlied". Diese Konstruktion entwickelte Heusler Anfang des 20. Jh.. Bis in die 50er Jahre galt sie fast unangefochten. Aber auch Kritik wurde an Heusler geübt. So seien seine Überlegungen zu sehr auf den süddeutsch-österreichischen Raum zentriert. Kurt Wais bezog im Gegensatz zu Heusler die gesamte alteuropäische Epik in seine Überlegung einer "westeuropäischen Nibelungendichtung" mit ein. Darüber hinaus ist es auch sehr unwahrscheinlich, daß sich das Nibelungenlied nur auf zwei Quellen bezieht, wie es Heusler nach seinem Stammbaum vermuten läßt. Viele Parallellieder sind wahrscheinlicher. Das mhd. Nibelungenlied ist die älteste deutsche Nibelungendichtung. Es gab Vermutungen, daß sich neben der "Thidrekssaga" in Norddeutschland eine mündliche Prosaerzählung des Nibelungenstücks entwickelte. 1990 weitete Heinz Ritter-Schaumburg seine umstrittene These von der Thidrekssaga im Rheinland auf das Nibelungenlied aus ("Rheinische Nibelungendichtung"). Zur Ottonenzeit soll im 10. Jh. in Passau eine lateinische Nibelungendichtung, die "Nibelungias" entstanden sein. 1973 beschrieb Reinhard Weskus, daß einige fränkische und bairische Familien die Nibelungengeschichte als Hausüberlieferungen weitergaben. Dies sollte bei einer Analyse der Stoffgeschichte beachtet werden.
Aus dem deutschen Raum sind noch weitere Nibelungengeschichten überliefert worden. Mitte des 13. Jh. erwähnt der fahrende Sänger Marner Kriemhilds Verrat an den Brüdern, Siegfrieds Not und den Nibelungenhort. Hugo von Trimmberg, der im "Renner" den Marner spielt, spricht vom Kriemhilden "mort", von Siegfrieds Drachen und auch vom Nibelungenhort. Im 16. Jh. wird "Das Lied vom Hürnen Seyfried" aufgeschrieben, dessen Ursprünge wohl bis ins 13. Jh. zurückreichen. Gybich ist hier der Vater Kriemhilds und so ist das Lied wohl näher an den nordischen Überlieferungen als das Nibelungenlied. 1557 entstand Hans Sachs' "Tragedi", die sich auf das "Lied vom Hürnen Seyfried" bezieht. Im Spätbarock entstand 1657 das aus dem Französischen übersetzte Volksbuch mit der Geschichte "Von dem gehörnten Siegfried" in Prosa. Unter anderem enthält es eine Kritik am Rokokoadel und dessen sexueller Unmoral, indem es prüde Sittsamkeit dagegen richtet. Nach dem Volksbuch politisiert sich die Nibelungenrezension dann zunehmend. Für die Stoffgeschichte des zweiten Teils des Nibelungenliedes ist der Anhang der Handschrift des "Straßburger Heldenbuch", die sogenannte "Heldenbuch-Prosa", die um 1480 niedergeschrieben wurde, zu beachten. Motive und Anspielungen auf das Nibelungenlied lassen sich in zahlreichen Dichtungen wiederfinden. So beschreibt gegen 930 Ekkehart I. von St. Gallen im "Waltharius" Hagens Vorgeschichte, die im Nibelungenlied in der 28. Aventiure in der Strophe 1756 und in der Aventiure 39. in den Strophe 2344 durchklingt. Aus dem "Ruodlieb" des 11. Jh. könnten Teile von Siegfrieds Biographie und seine Jagdausrüstung stammen.
Um 1160 erwähnt Metellus von Tegernsee ein deutsches Gedicht von Graf Roger und Dietrich. Wernhart von Steinsberg wird vom Sprachdichter Herger mit dem "guoten Rüdiger" verglichen. Saxo Grammaticus berichtet um die Jahrhundertwende von einem Lied, in dem die Treulosigkeit Kriemhilds gegenüber ihren Brüdern geschildert wird. Das Bahrrecht aus den Strophen 1043-1045 findet sich schon in Chrétiens "Yvain" und in der deutschen Entsprechung "Iwein" von Hartmann von Aue. Das Mutter-Tochter-Gespräch über die Liebe in Heinrich von Veldekes "Eneit" könnte dem Gespräch von Kriemhild und ihrer Mutter Ute zugrunde gelegen haben. Andere Nibelungenforscher haben besonders nach Motiven aus dem Mythen- und Märchenbereich gesucht. Friedrich Panzer z. B. verglich Siegfrieds Jugendtaten mit dem Märchen vom Bärensohn, Gunthers Brautwerbung mit den russischen Brautwerbermärchen und die Erweckung Brünhilds durch Siegfried mit Dornröschen. Letztlich erscheinen jedoch alle Parallelitäten mühselig konstruiert und vieles, wie z. B. die genaue Chronologie bleibt unklar
RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 03.05.2006 11:46von Zwilli • | 1.389 Beiträge | 1389 Punkte
Betrachten wir die Zeit des Entstehens und der Varianten des Erzählopos bis ind frühes Mittelalter ~ bis 1100
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Zeit der Völkerwanderung ~ 375 – 568
Fränkisches Reich:
Unterschiedliche Reichsteile, Missionierung, Christliche Umgestaltungen
Geschichte
Die Germanen glaubten an Götter und an das Fortleben nach dem Tod. Diese Ansichten sind noch zu erkennen in Sagen und Märchen aus dieser Zeit. Die Völkerwanderung (375 – 568) veränderte und erweiterte das magisch-natürliche Bewusstsein der germanischen Stämme. Bräuche und Sitten aus anderen Ländern regten zur Neuorientierung an. Während dieser Zeit kam es zur Wanderung von Stämmen innerhalb Europas. Durch den Kampf gegen Rom entstanden Verbindungen zwischen Alemannen, Franken, Sachsen, Thüringern und Bayern.
Bei den Westgermanen führte die Völkerwanderung zu einer Umsiedelung der Stämme im Innern Deutschlands. Erst als die Franken und die ihnen angeschlossenen Stämme die Römer besiegten (486) und in freundschaftliche Beziehung zu den Galliern traten, nahmen sie unter Chlodwig aus dem Hause der Merowinger das Christentum an. Es verging einige Zeit bis die verschiedenen Volkerstämme wirklich christianisiert waren. Die noch erhaltene althochdeutsche Literatur (schriftliche Überlieferungen ab ~ 800) lässt entsprechende Rückschlüsse zu.
Angelsächsische Mönche, besonders Bonifatius (679 – 754) wurden mit der Christianisierung der Germanen beauftragt. Mit großem Erfolg missionierte Bonifatius in Thüringen, Friesland, Hessen, Württemberg, Westfalen und Bayern, u. a. gründete er das Kloster zu Fulda.
Literatur ist aus der Zeit der Merowinger (482 – 751) nur sehr bruchstückhaft überliefert, da nur mündlich tradiert und zu einem späteren Zeitpunkt von schreibkundigen Mönchen aufgezeichnet wurde. Die Merowinger wurden durch die Karolinger abgelöst, Karl d. Gr. wird ~ 800 zum Kaiser gekrönt. Er fördert Kunst und Wissenschaft und zog bedeutende Gelehrte an seinen Hof, so u.a. den Angelsachen Alkuin als Leiter der Hofschule, den Langobarden Paulus Diakonus, den Westgoten Theowulf aus Spanien sowie Angilbert und Einhard. Einhard wurde der Nachfolger Alkuins. Latein war die literarische Sprache der karolingischen „Akademie“. Die Tierfabel des Äsop wurde von Diakonus in lateinischen Versen zu einem Epos verarbeitet. Darüberhinaus ließ er ein Liederbuch in deutscher Sprache erstellen. Die Förderung der deutschen Sprache für die Literatur wurde von seinen Nachfolgern fortgeführt. Der erste Lehrer bzw. Unterrichtsminister in Deutschland war Hrabanus Maurus (Rabe aus Mainz), Erzbischof von Mainz (um 780-856) ein Schüler von Alkuin.
Sprache und Bildung
Ohne Sprache kann es keine Entwicklung geben. Die germanische Sprache ist ein Zweig der arischen bzw. indogermanischen Sprachfamilie. Die gemeinsame Sprachfamilie förderte bei den Germanen die Bildung des Nationalcharakters. Die Trennung der germanischen Sprache von den übrigen europäischen Sprachen (z.B. romanische Sprachen) erfolgte zum einen durch die römische Besatzung, im übrigen durch eine separate Entwicklung z.B. im östlichen Bereich Europas (Satem ? Sprachgruppe). Es bestand eine Art Buchstabenschrift, die Runen (3, . 11, Jhd. nachweisbar). Durch Lautverschiebungen in den einzelnen Regionen entstanden die „deutschen Mundarten“ z.B. oberdeutsch-fränkische, sächsische, alemannische Mundart. Sie sind literarisch unter der Bezeichnung „althochdeutsch“ zusammengefasst.
Großen Einfluss auf die deutsche Sprachentwicklung und das germanische Leben bewirkten die römische Kultur und das Christentum. Viele rechtliche und kirchliche Ausdrücke existierten in griechischer und lateinischer Sprache. Entweder wurden die fremden Worte direkt in die deutsche Sprache übernommen oder man versuchte sie zu verdeutschen. Lehnwörter aus dem Keltischen wurden besonders bei Ortsnamen beibehalten. Römische Kultur veränderte Sitte und Kultur der Germanen.
Literatur
Texte altgermanischer Herkunft
Die altgermanische Dichtung gehört noch zur schriftlosen Zeit und ist verwurzelt im religiös-kultischen Brauchtum der germanischen Stämme; sie handelt von sozialen und kriegerischen Sitten. In der Hauptsache sind dies Gebet, Zaubersprüche und Beschwörungen.
Die Bibelübersetzung des westgotischen Missionsbischofs Wulfila ist das älteste erhaltene Sprachdenkmal der germanischen Literatur und zugleich eine der wichtigsten Übersetzungen der Weltliteratur. Wulfila prägt neue Worte und Begriffe nach griechischem und lateinischem Vorbild, damit er die christliche Gedankenwelt dem Volk verständlich machen konnte. Er hat die gotische Schrift (Runen) erst geschaffen.Leider ist sein Werk heute nicht mehr vollständig erhalten.
Die beiden „Merseburger Zaubersprüche“ sind germanisch-heidnischen Ursprungs, wurden jedoch vermutlich erst im 10. Jh. aufgeschrieben. Diese Form wird später von christliche Segen übernommen, in denen Christus, Maria, die Apostel und Heiligen angesprochen werden. Beispiele für Mischungen zwischen heidnisch-magischen Sprüchen und christlichem Gedankengut sind u.a.:
Segen gegen den Wolfsschaden (=Wiener Hundesegen)
Straßburger Blutsegen (zur Stillung des Blutes)
Lorscher Bienensegen (sollte die Rückkehr des Bienenschwarms bewirken)
Weingartener Reisesegen (für den Reisenden wird um Gottes Geleit gebeten).
Als Folge von Kriegen entstand die älteste Poesie der Germanen, nämlich das Heldenlied und der Schlachtengesang. Die germanische Heldensage beruht auf Geschehnissen der Völkerwanderungszeit, wie z.B. die Nibelungensage, ~ 450 entstanden, Sie ist eines der frühesten Textzeugnisse in deutscher Sprache. Das Thema entstammt dem rheinischen Raum, nahe der niederländischen Grenze und bezieht auch Ereignisse um den Hunnenkönig Attila mit ein. Die verschiedenen Handschriften (ca. 35) stammen erst aus dem 13.Jhd. Als diese Sagen literarische Form bekamen, lag das geschichtliche Ereignis schon so weit zurück, daß die tatsächlichen Ereignisse in den Hintergrund traten. Der Mensch stand im Vordergrund; Hauptsache war die Persönlichkeit.
Das „Hildebrandlied“ wurde ~ 820 nach einer Vorlage von zwei Fuldaer Mönchen geschrieben. Der Inhalt des Liedes gehört dem ostgotischen Sagenkreis an und schildert den Kampf zwischen Hildebrand und seinem Sohn Hadubrand. (es geht um die Gestalt des Ostgotenkönigs Theoderich von Ravenna, volktümlich übersetzt als Dietrich von Bern. Leider ist das Hildebrandlied nicht vollständig erhalten. Es ist ein Sprachdenkmal und poetisches Kunstwerk, das den Geist der germanischen Helden während der Völkerwanderung beschreibt.
Glossarien und andere Übersetzungen
Vermutlich hat im 6. Jh. (510) die glossographische Tätigkeit schon begonnen, denn aus dieser Zeit stammen die altniederfränkischen Glossen zur „Lex Salica“ (= Malbergische Glossen). Dem Volksrecht der Salier geht ein Prolog in lateinischer Sprache voraus. Er wurde von einem Franken verfasst und ist das älteste vorhandene Denkmal einheimischer Poesie der Franken, ein Loblied auf die Tüchtigkeit der Franken, die sich vom römischen Joch befreit hatten. Beispiele sind: Abrogans (von Arbeo, Lexikon des Althochdeutschen 8. Jhd.) und Hermeneumata: Älteste Glossensammlung, nicht nur für Lehrzwecke sondern auch für den praktischen Gebrauch.
Die karolingische Literatur 770-910
770-790: Vor und frühkarlsche Literatur
790-820: Blüte der karlschen Kirchenprosa
820-840: Hrabanische Periode (Hrabanus Maurus - Lehrer in Fulda, Abt 822-42)
840-860: Stumme Periode --getrenntes Reich
860-880: Die neue Dichtung -- Otfried --Ludwigslied
880-900: Ausbreitung der Reimversdichtung: Galluslied, Georgslied usw.
900-910: Karolingischer Ausklang
Anfänge deutscher Literatur in Gebrauchstexten des 8. und 9. Jahrhunderts
Dichtung aus christlichem Glauben, religiöser Stoff übersetzt in die Vorstellungswelt der Germanen
~ 700 St. Galler Handschrift (Glossenliteratur, Rechtswörter)
~ 790 Wessobrunner Gebet, eine Mischung aus Vers und Prosa, vermutlich Anfang eines Gedichts
über die Weltschöpfung.
~ 802 Übersetzung des salischen Rechts (Lex Salica) im Auftrag Karl d. Gr. , ein wichtiger Schritt zur Entwicklung der deutschen Literatur des Rechts.
~ 802 Fränkisches Taufgelöbnis
~ 810 Sächsische Beichte und kirchl. Hymnen (bekannt als Murbacher Hymnen)
822/840 Ludwig der Fromme ließ das Alte und Neue Testament übersetzen. Das Neue Testament ist fast vollständig vorhanden. Es wurde in die sächsische Sprache übersetzt und ist bekannt unter dem Namen „Heliand“. Der Name des Übersetzers ist nicht bekannt. Grundlage des Werkes ist das Neue Testament nach dem Syrer Tatian. Nach altgermanischer Auffassung erscheint Christus als Volkskönig, die Apostel als Gefolgsmannen, israelitische Städte werden als sächsische Burgen dargestellt. Epische Formeln, schmückende Beiwörter und stabreimende Langzeilen sind Erinnerungen an die alte Heldenpoesie. Was dem germanischen Empfinden noch fremd war (z.B. Feindesliebe) wurde „mundgerecht“ für das Volk aufbereitet.
830 - 840 „Muspilli“ (Weltbrand). Das Gedicht schildert das Schicksal der Seele des Menschen nach dem Tode und ist Ludwig dem Deutschen gewidmet. Es erzählt vom Kampf der Engel und Teufel um die Seele nach dem Tode und vor dem Letzten Gericht. Der Streit zwischen Elias und dem Antichrist entbrennt und der erste Weltbandes wird entfacht..
842 - 849 Der Abt Walafried Strabo, Gelehrter, Dichter und bester Lateiner seiner Zeit. Er schrieb u.a. "De cultura hortorum" (Hortulus), indem Pflanzen des Klostergartens beschrieben werden (Latein). Es handelt sich um die erste schriftliche Quelle des Gartenbaus.
~ 841 Straßburger Eide
Nach einem Sieg über den Bruder Lothar I. (ältester Sohn Ludwigs des Frommen) - bekräftigten der Karl II. (der Kahle), König der Westfranken, und Ludwig der Deutsche (König der Ostfranken), ihr Bündnis: Am 14.2.841 schwören beide in der Nähe von Straßburg mit ihren beiden Heeren den Eid in der jeweiligen Sprache des Bündnispartners, auf rheinfränkisch und auf romanisch. Überliefert sind die Texte in der lateinisch geschriebenen Historiae des Nithardus (Nithard, ein Enkel von Karl d. Gr.)
~ 850 Weißenburger Katechismus, Bruchstücke eines aus dem lateinischen übersetzten Matthäus-Evangeliums (790 überliefert als „Isidor“). Sammlung liturgischer und katechetischer Texte, meist althochdeutsche Sprache,
~ 865 Eines der bedeutendsten Kunstwerke der karolingischen Literatur ist das „Liber evangeliorum“ (Evangelien Harmonie) des Weißenburger Mönchs Otfrid, in vier Handschriften überliefert. Er war nicht nur Gelehrter sondern auch Dichter und Lyriker und ist der namentlich zuerst erwähnte Dichter der deutschen Literatur. Seine Dichtung ist ein gereimtes Evangelienbuch, das 830 begonnen und 868 vollendet war und u.a. König Ludwig d. Deutschen gewidmet ist. Es beinhaltet das Leben Jesu von der Geburt bis zur Himmelfahrt. Eingeflochten sind religiöse Belehrung und Erbauung. Christus wird wieder als Germanenkönig, Pilatus als fränkischer Herzog dargestellt. Dieses Werk wurde Grundlage der späteren deutschen Metrik.
~ 880 ist das Ludwigslied entstanden. Es behandelt den Einfall der Normannen ins Frankenland und den Sieg Ludwigs III. Die Franken erscheinen als Gottes auserwähltes Volk, Gott befindet sich immer im Hintergrund. Gott beauftragt Ludwig seinem Volk zu helfen. Schließlich siegt Ludwig als tapferer und vorbildlicher Herrscher in einer kurz geschilderten Schlacht und besteht somit somit seine Prüfung. Das Lied endet mit dem Segenswunsch für den jungen König. Das Bemühen des Verfassers besteht darin, heidnische und christliche Vorstellungen zu vereinen. Die Dichtung wird einem flandrischen Mönch zugeschrieben.
880 - 890: Galluslied, Georgslied
Altklassische Klosterkultur und lateinische Dichtung der Mönche ~ 900
Reformen innerhalb der Kirche und Klöster bewirkten eine straffe Machtkonzentration der Kirche. Sie stellt die weltliche Herrschaft der Ottonen (auch Ludolfinger genannt) in Frage. Der tiefe Zwiespalt der christlichen Menschen kommt in der Spruchdichtung Walther von der Vogelweide über diese Zeit zum Ausdruck.
Die Mönche vertieften sich eifrig in die Übersetzung der griechischen und römischen Antike. Besonders in lateinischer Sprache fand die Antike Eingang in den Literaturbereich.
910- 980: Ottonenzeit (Ottonische Renaissance)
Um 920 entstand das „Walthari-Lied“. Es brachte die Walter-Sage mit christlichen Motiven in ein lateinisches Hexameter-Epos. Der Klosterschüler Ekkehard von St. Gallen hat es begonnen. 100 Jahre später wurde es von Ekkehard IV. vollendet. Stilvorbild war Virgil.
Inhalt: Die Geiseln Walther und Hildegard fliehen von Attilas Hof bis zum Rhein. Eine dritte Geisel, Hagen, war entkommen. Dessen Herr Gunther möchte den Schatz Walthers besitzen. Im Kampf werden Gunther, Hagen und Walther verwundet und versöhnen sich. Hildegard verbindet die Wunden. Sie ist nicht mehr die Wallküre der Sage sondern nähert sich dem christlichen Frauenbild des Mittelalters.
Hroswith von Gandersheim, eine Nonne (um 930 geboren) schuf die ersten Dramen.in lateinischer Sprache, zwar ohne äußere Einteilung aber bereits in gutem Dialog mit Heiligen- und Märtyrerstoffen (z.B. „Dullicitius“. Außerdem schrieb sie Legenden mit antiken Versmaßen, die älteste Fassung des Faustmotivs „Theophlus“ sowie zwei historische Epen, welche die Taten Ottos I. und die Klostergeschichte von Gandersheim beschreiben.
980-1020: Die Zeit Notkers des Deutschen
Vor allem bekannt als Übersetzer vom Lateinischen ins Althochdeutsche, besonders Psalmenübersetzung.
1020-1060: Neue Weltfreude, Zeit der ersten Salier
Um 1030 entstand Ruodlieb, ein romanhaftes Epos in lateinischen, gereimten Hexametern. Die Motive der alten Sage werden mit fremden Novellenstoffen und kulturhistorischen Details vermischt. Ruodlieb war der Vorläufer der höfischen Ritterepen und enthielt bereits Ansätze der Minnelyrik.
RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 03.05.2006 11:54von Zwilli • | 1.389 Beiträge | 1389 Punkte
deutsche Heldensagen
[ Editiert von Administrator Gemini am 19.06.07 7:28 ]
RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 19.06.2007 07:04von Gemini • | 11.637 Beiträge | 12100 Punkte
Das Nibelungenlied << Denkzettel >>
© Bayerischer Rundfunk
Siegfried, Königssohn aus Xanten, reist nach Worms, um Kriemhild, die Schwester des Burgundenkönigs Gunther, zu freien. Der junge Held wird bei Hof freundlich empfangen und Kriemhild kann ihm nicht widerstehen. Aber Gunther will ihrer Heirat nur zustimmen, wenn Siegfried ihm hilft, Brynhild, als Gattin zu gewinnen. Brynhild hat nämlich geschworen, sich nur einem Mann zu ergeben, der sie im Dreikampf übertrifft. Als die Brautwerber auf Burg Isenstein eintreffen, verliebt sich Brynhild in Siegfried auf den ersten Blick: Sie spürt, dass er ihr im Kampf ebenbürtig ist, Gunther aber nicht. Umso tiefer ist ihre Enttäuschung, als Gunther sie besiegt. Brynhild weiß ja nicht, dass Siegfried - kraft seiner Tarnkappe unsichtbar -beim Speer- und Steinwurf Gunthers Hand geführt und ihn beim Weitsprung sogar getragen hat. Aber sie ahnt, dass es beim Wettkampf nicht mit rechten Dingen zugegangen ist. Nur widerstrebend folgt Brynhild dem Burgundenkönig und seinem angeblichen Gefolgsmann nach Worms, wo die Doppelhochzeit festlich begangen wird. Aber im Brautgemach wehrt sie sich vehement: Sie fesselt ihren Mann an Händen und Füßen und hängt ihn an einen Nagel an die Wand. Am Morgen danach bittet Gunther Siegfried, ihm noch einmal -unter dem Siegel der Verschwiegenheit -beizustehen. In der folgenden Nacht zwingt der Held die streitbare Braut mit Hilfe seiner Tarnkappe beim Ringkampf nieder. Aber bevor er Brynhild ihrem angetrauten Gatten überlässt, steckt er unbemerkt ihren Ring und ihren Gürtelein. Später schenkt er die kostbaren Schmuckstücke seiner Frau. Kriemhild will wissen, woher sie stammen. Und Siegfried gibt leider das Geheimnis preis. Zehn Jahre danach sehen sich die edlen Paare bei einem Fest in Worms wieder. Auf der Treppe des Münsters spielt sich der legendäre Streit der Königinnen ab: Weil Siegfried sich bei Gunthers Werbung als sein Lehnsmann ausgegeben hat, glaubt Brynhild, ihr gebühre der Vortritt ins Gotteshaus. Das ärgert Kriemhild. Schließlich ist ihr Gemahl nicht nur ein freier König, sondern auch ein berühmter Held. Eifersüchtig beschimpft sie ihre Rivalin als Siegfrieds „Kebsweib” und enthüllt das peinliche Geheimnis, indem sie Brynhilds Ring und Gürtel zum Beweis vorzeigt. Damit ist Brynhilds schlimme Ahnung bestätigt: Sie wurde getäuscht, betrogen, verraten und ihrer Ehre beraubt. Gunthers Gefolgsmann Hagen, der Siegfried von Anfang an feindlich gesonnen war, ist sofort bereit, die tödliche Beleidigung seiner Herrin mit Blut abzuwaschen. So nimmt das Verhängnis seinen Lauf.Siegfried wird mit Gunthers Einverständnis heimtückisch ermordet. Dreizehn Jahre später gelingt es Kriemhild, die inzwischen den Hunnenkönig Etzel geheiratet hat, ihre Rachepläne in die Tat umzusetzen, was bekanntlich zum Untergang der Burgunden führt.
Der Stoff: Die Geschichte des Nibelungenlieds ist nicht gesichert. Nibelungen heißen zunächst die Besitzer eines großen Horts, der von Zwerg Alberich bewacht wird, ab dem XXV. Abenteuer des Nibelungenlides „wie die Könige zu den Hunnen fuhren“, geht die Bezeichnung auf die Burgunder über. Die Dichtung setzt sich aus zwei ursprünglich getrennten Hauptteilen zusammen. Einmal aus einer der vielen Sagen vom jungen Helden Siegfried: Siegfrieds Werbung um Kriemhild, der betrügerischen Werbung Gunthers um Brynhild und Siegfrieds Tod. Zum anderen aus der Sage vom Untergang der Burgunden an Etzels Hof. Der zweite Teil des Nibelungenlids baut auf historische Ereignisse auf: Die Vernichtung der Burgunden am Rhein durch die Hunnen 436 und den Tod Attilas.
Alberich: Zwerg der germanischen Heldensage, im „Nibelungenlied“ Hüter des Nibelungenhorts. Siegfried besiegt Alberich, nimmt ihm seine Tarnkappe ab und zwingt ihn zur Auslieferung des Schatzes. (Harenberg Kompaktlexikon, 1996)
Attila: Die christliche Überlieferung beschreibt die Hunnen und ihren Großkönig Attila (433-53) als „Geißel Gottes“. Attila regierte ein Reich, das sich vom Schwarzen Meer bis zu Rhein und Donau erstreckte. (Harenberg Kompaktlexikon, 1996)
Burgunden: Germanischer Volksstamm
Hunnen: Innerasiatisches Reiter- und Nomadenvolk, das durch seinen Zug nach Westen 375 die Völkerwanderung auslöste. (Harenberg Kompaktlexikon, 1996)
Liebe Grüße
Bettina
Rezitante und Musäusfan-ny
RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 19.06.2007 07:23von Gemini • | 11.637 Beiträge | 12100 Punkte
eine hochinteressante, leider wegen zu kleiner Schrift schwer zu lesende Homepage über das Nibelungenlied findet man hier.
der Homepage der niederöstereichischen Stadt Pöchlarn.
Ich habe den Teil Historische Hintergrund herauskopiert:
2) Historischer Hintergrund
Auch hier zeigt sich ein Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Teil.
Der erste Teil hat mit der Gestalt Siegfrieds eher einen mythischen Charakter. Es läßt sich für die Siegfried-Brünhild bzw. Siegfried-Kriemhild-Saga nur schwer eine historische Parallele finden.
566 oder 567 heiratet der austrasische Frankenkönig Sigibert I. (Merowinger) Brunhild, Tochter des westgotischen Königs Athanagild. Sigiberts Bruder Chilperich I. von Neustrien heiratet Brunhilds Schwester Galswintha.
Fredegund, einstige Mätresse Chilperichs, überredet ihn zum Mord an seiner Gemahlin. Nach dem Mord heiraten Chilperich und Fredegund.
Brunhild und Fredegund sind sich spinnefeind. Auf Brunhilds Drängen hin führt Sigibert Krieg gegen Chilperich. 575 stirbt Sigibert I., wahrscheinlich auf Wunsch Fredegunds. 584 wird Chilperich ermordet, wahrscheinlich als Rache durch Brunhild.
613 wird Brunhild von Chlotar II. von Neustrien gefangengenommen und ermordet. Brunhild regierte zeitweilig in Worms. Ob der Burgunderkönig Gundahar in Worms regiert hat, ist hingegen nicht belegt.
Die historische Brunhild paßt eher zur Figur der Kriemhild und die historische Fredegund zur Figur der Brünhild.
Daß aber die Namen so eklatant vertauscht wurden, ist für Heldenepen untypisch. Orte wurden öfters geändert, um einen stärkeren Bezug zum Publikum zu finden.
Namen großer Helden und anderen historischen Personen wurden dagegen möglichst beibehalten, wohl weil unter anderem auch die historischen Personen dem Publikum bekannt waren. Dennoch ist es durchaus wahrscheinlich, daß die Geschichte vom Frankenkönig Sigibert I. mit dem mythischen Held und Drachentöter Siegfried im Nibelungenlied verknüpft wurde.
Bei den Germanen klangen die Namen der Familienangehörigen oft ähnlich.
Bei den Merowingern gab es Namen mit den Anfangssilben "Sigi", leider sind heute nur noch Sigibert I. und Sigivald bekannt. Viele Nibelungenforscher versuchten nun, einem der beiden die Gestalt des Siegfried zuzuschreiben.
Aber auch andere Möglichkeiten wurden überdacht. Nach Helmut de Boor könnte Siegfried auch der vertriebene Sohn eines ripuanischen Fürstenhauses sein, der im ersten Drittel des 5. Jh. am burgundischen Hof aufgenommen wurde.
Andere verglichen Siegfried mit dem ostgotischen Heerführer Uraja oder dem Cheruskerfürsten Arminius.
Mit Arminius verbindet Siegfried ein früher Tod durch Verwandtenmord.
Xanten, Siegfrieds Zuhause, ist Zentrum der Arminiusüberlieferung.
Der Sieg Arminius' über Varus in der Schlacht im Teutoburger Wald 9 n. Chr. könnte, nach Otto Höfler, im Drachenkampf mythisch überhöht worden sein.
Einige Forscher wie Franz Rolf Schröder halten es jedoch für wahrscheinlicher, daß die Gestalt Siegfrieds ganz aus der Mythen- und Märchenwelt kommt.
Siegfried wurde besonders im 19. Jh. mit allen möglichen germanischen Göttern verglichen.
Weitaus einfacher läßt sich zum zweiten Teil des Nibelungenliedes, dem Untergang der Burgunder,
eine historische Parallele finden.
Von 406 bis 413 eroberte der Burgundenkönig Gundahar(ius) nach Überquerung des Rheins linksrheinische Gebiete.
Sitz des Königs war wahrscheinlich Worms oder Mainz. Möglicherweise waren die Burgunder Föderaten Roms.
Die Burgunden versuchten, ihr Gebiet in nordwestlicher Richtung gegen die römische Provinz Belgica auszudehnen. 435/436 wurden sie vom weströmischen Heermeister Aëtius geschlagen.
436/437 wurden die Burgunden dann von den Hunnen, die wohl Hilfstruppen Aëtius' waren, vernichtend besiegt.
Gundahar, die ganze Familie und ein großer Teil des burgundischen Volkes wurden getötet.
Später schreibt der spanische Bischof Hydatius von 20.000 Toten.
Im Jahr 443 überläßt Aëtius den restlichen Burgundern ein neues Gebiet in der Sapaudia, dem heutigen Savoyen, an der oberen Rhône und der Saône gelegen.
Einige Burgunden blieben in ihrer alten Heimat am Rhein. Ab 461 war Lyon neue burgundische Residenz. In den Folgejahren dehnten sich die Burgunder noch bis zum Mittelmeer aus
und adaptierten teilweise die römische Kultur.
Im burgundischen Recht, Lex Gundobada oder Lex Burgundionum genannt, das vor König Gundobads Tod 516 aufgezeichnet wurde, werden unter anderem auch die Könige Gibica, Gundomar, Gislahar und Gundahar erwähnt.
Gibica entspräche dem altnordischen Gjúki und dem mhd. Gibiche und so dem Vater der burgundischen Brüder in fast allen Nibelungengeschichten - nur im Nibelungenlied heißt der Vater Dankrat. Gundahar ist wohl zweifelsfrei König Gunther, Gundomar wahrscheinlich Gutthorm bzw. Gernot und Gislahar entspräche Giselher.
534 wurden die Burgunder endgültig von den Franken besiegt und ihr Gebiet dem fränkischen Reich angegliedert.
Bei der Schlacht 436/437 wurden die Hunnen nicht von Attila d. h. Etzel angeführt.
Erst 441 wird Attila Alleinherrscher der Hunnen, nachdem sein Bruder Bleda, im Nibelungenlied Blödel genannt, ermordet wurde.
Die Schlacht von 436/437 wird im Nibelungenlied wohl mit der Schlacht auf den katalaunischen Feldern im Jahr 451 vermischt.
Dort kämpften die Hunnen unter Attlia zusammen mit den rechtsrheinischen Burgunden gegen Aëtius, die sapaudischen Burgunden und den westgotischen König Theoderich I. und seine Truppen.
Attila wird besiegt, überfällt dann noch die Poebene und zieht dann wieder zurück zur Theiß. 453 stirbt Attila in der Hochzeitsnacht mit der Germanin Hildico an einem Blutsturz. Bald kam es um Attilas Tod zur Mythenbildung z. B. wurde vermutet, Attila wurde durch seine Frau umgebracht.
So auch Poeta Saxo im 9. Jh., der als Motiv Rache für den Vater vermutete.
Hildico wurde von Forschern als Hildchen zu deuten versucht, aber dies ist eher unwahrscheinlich (Gottfried Schramm).
Im 13. Jh. schrieb Simon von Kéza die "Chronica Hungarorum", deren Grundlage aber wohl ältere Quellen sind.
In der Chronik wird von Machtkämpfen am hunnischen Hof nach Attilas Tod berichtet.
Im Mittelpunkt stehen zwei Söhne Attilas, einer von einer Griechin, einer von der Germanin Crimildis.
15 Tage dauern die Kämpfe, in denen die Halbbrüder starben und die Hunnen untergingen.
Erst drei Jahre nach Attilas Tod wird der Ostgotenkönig Theoderich der Große, der im Nibelungenlied als Dietrich von Bern auftaucht, geboren.
Den Namen "von Bern" erhielt Theoderich nach der Stadt Verona. Eine ganz andere geschichtliche Grundlage des Stoffes vom Untergang der Burgunden sah Heinrich Kunstmann. In der These vom "bairischen Bulgarenmord" steht ein bulgarischer Stamm für die Burgunden.
631 oder 632 wurden sie von den Baiern auf Befehl des fränkischen Königs Dagobert I. bekämpft. Laut dem fränkischen Geschichtsschreiber Fredegar starben bei der Schlacht 8300 von 9000 Bulgaren.
Alles in allem ist diese These von Kunstmann doch sehr unwahrscheinlich.
Der Vergleich des Burgundenunterganges im Nibelungenlied mit den tatsächlichen Ereignissen im 5. Jh. liegt näher.
Liebe Grüße
Bettina
Rezitante und Musäusfan-ny
RE: Deutschland-Nibelungen
in Nationalepen 29.09.2009 13:40von Gemini • | 11.637 Beiträge | 12100 Punkte
Ludwig Uhland
Lied der Nibelungen
In Burgunden erwuchs Jungfrau Kriemhild, die schönste in allen Landen. Drei königliche Brüder haben sie in Pflege, Gunther, Gernot und der junge Giselher. Zu Worms am Rheine wohnen sie in grosser Macht; kühne Recken sind ihre Dienstmannen: Hagen von Tronje und sein Bruder Dankwart, der Marschalk; deren Neffe, Ortwin von Metz; Gere und Eckewart, zwei Markgrafen; Volker von Alzei, der Spielmann; Sindolt, der Schenke; Hunolt, der Kämmerer, und Rumolt, der Küchenmeister. In diesen hohen Ehren träumt Kriemhilden, wie ein schöner Falke, den sie gezogen, von zwei Aaren ergriffen wird. Ute, ihre Mutter, deutet dieses auf einen edeln Mann, den Kriemhild frühe verlieren möge. Aber Kriemhild will immer ohne Mannes Minne leben. Viele werben vergeblich um sie. Da hört auch Siegfried, Sohn des Königs Siegmund und der Siegelind zu Santen in Niederlanden, von ihrer grossen Schönheit. In früher Jugend schon hat er Wunder mit seiner Hand getan; den Hort der Nibelunge hat er gewonnen, samt dem Schwerte Balmung und der unsichtbar machenden Tarnkappe, den Lindwurm erschlagen und in dem Blute seine Haut zu Horn gebadet. Selbzwölfte zieht er jetzt aus, Kriemhilden zu erwerben, umsonst gewarnt von den Eltern vor der burgundischen Recken Übermut. Köstlich ausgerüstet, reitet er zu Worms auf den Hof und fordert den König Gunther zum Kampf um Land und Leute. Doch im Gedanken an die Jungfrau lässt er sich begütigen und bleibt ein volles Jahr in Freundschaft und Ehre dort, ohne Kriemhilden zu sehen. Sie aber blickt heimlich durch das Fenster, wenn er auf dem Hofe den Stein oder den Schaft wirft. Siegfried heerfahrtet für Gunthern gegen die Könige Liudeger von Sachsenland und dessen Bruder, Liudegast von Dänemark; beide nimmt er gefangen. Als Kriemhilden ein Bote meldet, wie herrlich vor allen Siegfried gestritten, da erblüht rosenrot ihr schönes Antlitz; reichen Lohn lässt sie dem Boten geben. Gunther aber bereitet seinen Helden ein grosses Fest, bei dem Siegfried Kriemhilden sehen soll; denn die Könige wollen ihn festhalten. Wie aus den Wolken der rote Morgen, geht die Minnigliche hervor; wie der Mond vor den Sternen, leuchtet sie vor den Jungfrauen, die ihr folgen. Sie grüsst den Helden, sie geht an seiner Hand; nie in Sommerzeit noch Maientagen gewann er solche Freude.
Fern über See, auf Island, wohnt die schöne Königin Brünhild. Wer ihrer Minne begehrt, muss in drei Spielen ihr obsiegen, in Speerschiessen, Steinwurf und Sprung; fehlt er in einem, so hat er das Haupt verloren. Auf sie stellt König Gunther den Sinn und gelobt seine Schwester dem kühnen Siegfried, wenn der ihm Brünhilden erwerben helfe. Mit Hagen und Dankwart besteigen die beiden ein Schifflein und führen selbst das Ruder. Sie fahren mit gutem Winde den Rhein hinab in die See. Am zwölften Morgen kommen sie zur Burg Isenstein, wo Brünhild mit ihren Jungfrauen im Fenster steht. Als die Helden an das Land getreten, hält Siegfried dem Könige das Ross, damit er für dessen Dienstmann gehalten werde. Sie reiten in die Burg, Siegfried und Gunther mit schneeweissen Rossen und Gewanden, Hagen und Dankwart rabenschwarz gekleidet. Brünhild grüsst Siegfrieden vor dem Könige. Die Kampfspiele heben an. Unsichtbar durch die Tarnkappe, steht Siegfried bei Gunthern; er übernimmt die Werke, der König die Gebärde. Brünhild streift sich die Ärmel auf, einen Schild fasst sie, den vier Kämmerer kaum hergetragen, einen Speer, gleichmässig schwer, schliesst sie auf Gunthers Schild, dass die Schneide hindurchbricht und die beiden Männer straucheln; aber kräftiger noch wirft Siegfried den umgekehrten Speer zurück. Einen Stein, den zwölf Männer mühlich trügen, wirft sie zwölf Klafter weit; über den Wurf hinaus noch springt sie in klirrendem Waffenkleid; doch weiter wirft Siegfried den Stein, weiter trägt er den König im Sprunge. Zürnend erkennt Brünhild sich besiegt und heisst ihre Manne Gunthern huldigen.
Brünhild wird nun heimgeführt und zu Worms herzlich empfangen. Am gleichen Tage führt Gunther Brünhilden, Siegfried Kriemhilden in die Brautkammer. Doch Brünhild hat geweint, als sie Kriemhilden bei Siegfried am Mahle sitzen sah; vorgeblich, weil ihr leid sei, dass des Königs Schwester einem Dienstmann gegeben werde; und in der Hochzeitnacht will sie nicht Gunthers Weib werden, bevor sie genau wisse, wie es so gekommen. Sie erwehrt sich Gunthers, bindet ihm mit ihrem Gürtel Füss' und Hände zusammen und lässt ihn so die Nacht über an einem Nagel hoch an der Wand hängen. Siegfried bemerkt am andern Tage des Königs Traurigkeit, errät den Grund und verspricht, ihm die Braut zu bändigen. In der Tarnkappe kommt er die nächste Nacht in Gunthers Kammer, ringt gewaltig mit Brünhilden und bezwingt sie dem Könige. Einen Ring, den er heimlich ihr vom Finger gezogen, und den Gürtel nimmt er mit sich hinweg.
Bald hernach führt er Kriemhilden in seine Heimat nach Santen, wo sein Vater ihm die Krone abtritt. Zehn Jahre vergehen und stets denkt Brünhild, warum Siegfried von seinem Lande keinen Lehensdienst leiste. Sie beredet Gunthern, den Freund und die Schwester zu einem grossen Fest auf nächste Sonnenwende zu laden. Der alte Siegmund reitet mit ihnen nach Worms. Beim Empfange blickt Brünhild unterweilen auf Kriemhilden, wie ihre Farbe gegen dem Golde glänzt. In festlicher Freude verbringen sie zehn Tage. Am elften, vor Vesperzeit, als Ritterspiel auf dem Hofe sich hebt, sitzen die zwei Königinnen zusammen. Da rühmt Kriemhild ihren Siegfried, wie er herrlich vor allen Recken gehe. Brünhild entgegnet, dass er doch nur Gunthers Eigenmann sei. So eifern sie in kränkenden Worten, und als man nun zur Vesper geht, kommen sie, die sonst immer beisammen gingen, jede mit besondrer Schar ihrer Jungfraun zum Münster. Brünhild heisst Kriemhilden als Frau eines Unfreien zurückstehn; da wirft Kriemhild ihr vor, Siegfried habe ihr das Magdtum abgewonnen, und geht in das Münster vor der weinenden Königin. Nach dem Gottesdienste wartet Brünhild vor dem Münster und verlangt von Kriemhilden Beweis jener Rede. Kriemhild zeigt Ring und Gürtel, die Siegfried ihr gegeben, und abermals weint die Königin. Umsonst schwört Siegfried im Ringe der Burgunden, dass er Brünhilden nicht geminnet. Hagen gelobt, ihr Weinen an Siegfried zu rächen, und er zieht die Königin in den Mordrat.
Falsche Boten werden bestellt und reiten zu Worms ein, als hätten sie von Liudeger und Liudegast, die man auf Treu und Glauben freigelassen, neuen Krieg anzusagen. Siegfried, der seinen Freunden stets gerne dient, erbietet sich alsbald, den Kampf für sie zu bestehen. Als das Heer bereit ist, nimmt Hagen von Kriemhilden Abschied. Sie bezeigt Reue über das, was sie Brünhilden getan, und bittet ihn, über Siegfrieds Leben in der Schlacht zu wachen. Deshalb vertraut sie ihm, dass Siegfried an einer Stelle, zwischen den Schultern, verwundbar sei, wohin ihm ein Lindenblatt gefallen, als er sich im Blute des Drachen gebadet. Diese Stelle zu bezeichnen, näht sie, nach Hagens Rat, auf ihres Mannes Gewand ein kleines Kreuz. Hagen freut sich der gelungenen List und kaum ist Siegfried ausgezogen, so kommen andre Boten mit Friedenskunde. Ungerne kehrt Siegfried um; statt der Heerfahrt soll nun im Wasgenwald eine Jagd auf Schweine, Bären und Wisente (wilde Ochsen) gehalten werden. Weinend ohne Mass, entlässt Kriemhild den Gemahl. Ihr hat geträumt, wie ihn zwei wilde Schweine über die Heide gejagt und die Blumen von Blute rot geworden, wie zwei Berge über ihm zusammengefallen und sie ihn nimmermehr gesehen.
Mit Gunthern, Hagen und grossem Jagdgefolge reitet Siegfried zu Walde. Gernot und Giselher bleiben daheim. Viel Rosse, mit Speise beladen, werden über den Rhein geführt auf einen Anger vor dem Walde. Die Jagdgesellen trennen sich, damit man sehe, wer der beste Weidmann sei. Siegfried nimmt sich einen alten Jäger mit einem Spürhund; kein Tier entrinnt ihm, Berg und Wald macht er leer, er gewinnt Lob von allen. Schon wird zum Imbiss geblasen, als Siegfried einen Bären aufjagt. Er springt vom Rosse, läuft dem Tiere nach, fängt und bindet es auf seinen Sattel. So reitet er zur Feuerstätte; herrlich ist sein Jagdgewand, mächtig der Bogen, den nur er zu spannen vermag, reich der Köcher, von Golde das Horn. Als er abgestiegen, lässt er den Bären los, der unterm Gebell der Hunde durch die Küche rennt, Kessel und Brände zusammenwirft, zuletzt aber von Siegfried ereilt und mit dem Schwert erschlagen wird. Die Jäger setzen sich zum Mahle; Speise bringt man genug, aber die Schenken säumen. Hagen gibt vor, er habe gemeint, das Jagen solle heut im Spessart sein, dorthin hab' er den Wein gesandt. Doch hier nahe sei ein kühler Brunnen. Zu diesem beredet er mit Siegfried einen Wettlauf. Sie ziehen die Kleider aus, Siegfried legt sich vor Hagens Füsse; wie zwei Panther laufen sie durch den Klee; Siegfried, all sein Waffengerät mit sich tragend, erreicht den Brunnen zuerst. Doch trinkt er nicht, bevor der König getrunken. Wie er sich zur Quelle neigt, fasst Hagen den Speer, den Siegfried an die Linde gelehnt, und schiesst ihn dem Helden durch das Kreuzeszeichen, dass sein Blut an des Mörders Gewand spritzt. Hagen flieht, wie er noch vor keinem Manne gelaufen. Siegfried springt auf, die Speerstange ragt ihm aus der Wunde, den Schild rafft er auf, denn Schwert und Bogen trug Hagen weg; so ereilt er den Mörder und schlägt ihn mit dem Schilde zu Boden. Aber dem Helden weicht Kraft und Farbe, blutend fällt er in die Blumen; die Verräter scheltend, die seiner Treue so gelohnt, und doch Kriemhilden dem Bruder empfehlend, ringt er den Todeskampf.
In der Nacht führen sie den Leichnam über den Rhein. Hagen heisst ihn vor Kriemhilds Kammertür legen. Als man zur Mette läutet, bringt der Kämmerer Licht und sieht den blutigen Toten, ohne ihn zu erkennen. Er meldet es Kriemhilden, die mit ihren Frauen zum Münster gehen will. Sie weiss, dass es ihr Mann ist, noch ehe sie ihn gesehen; zur Erde sinkt sie und das Blut bricht ihr aus dem Munde. Der alte Siegmund wird herbeigerufen; Burg und Stadt erschallen von Wehklage. Am Morgen wird der Leichnam auf einer Bahre im Münster aufgestellt. Da kommen Gunther und der grimme Hagen; der König jammert. "Räuber," sagt er, "haben den Helden erschlagen." Kriemhild heisst sie zur Bahre treten, wenn sie sich unschuldig zeigen wollen; da blutet vor Hagen die Wunde des Toten. Drei Tage und drei Nächte bleibt Kriemhild bei ihm; sie hofft, auch sie werde der Tod hinnehmen. Messopfer und Gesang für seine Seele rasten nicht in dieser Zeit. Als darauf Siegfried zu Grabe getragen wird, heisst Kriemhild den Sarg wieder aufbrechen, erhebt noch einmal sein schönes Haupt mit ihrer weissen Hand, küsst den Toten und illre lichten Augen weinen Blut. Freudlos kehrt der König Siegmund heim. Kriemhild lässt sich am Münster eine Wohnung bauen, von wo sie täglich zum Grabe des Geliebten geht. Vierthalb Jahre spricht sie kein Wort mit Gunthern und ihren Feind Hagen sieht sie niemals. Hagen aber trachtet, dass der Nibelungenhort in das Land komme. Gernot und Giselher bringen die Schwester erst dahin, dass sie Gunthern, mit Tränen, wieder grüsst; dann wird sie beredet, den Hort, ihre Morgengabe von Siegfried, herführen zu lassen. Als sie aber das Gold freigiebig austeilt, fürchtet Hagen den Anhang, den sie damit gewinne. Da werden ihr die Schlüssel abgenommen, und als sie darüber klagt, versenkt Hagen den ganzen Schatz im Rheine.
Dreizehn Jahre hat Kriemhild im Witwentum gelebt. Da stirbt Frau Helke, des gewaltigen Hunnenkönigs Etzel Gemahlin. Ihm wird geraten, um die edle Kriemhild zu werben, und er sendet nach ihr den Markgrafen Rüdiger mit grossem Geleite. Den Königen zu Worms ist die Werbung willkommen; Hagen aber widerrät. Kriemhild selbst widerstrebt lange: Weinen geziem' ihr und andres nicht. Erst als Rüdiger heimlich mit ihr spricht und ihr schwört, mit allen seinen Mannen jedes Leid, das ihr widerfahre, zu rächen, hofft sie noch Rache für Siegfrieds Tod und reicht ihre Hand das. Sie fährt mit den Boten hin, im Geleit ihrer Jungfrauen und des Markgrafen Eckewart, der mit seinen Mannen ihr bis an sein Ende dienen will. Ihr Weg geht über Passau, wo der Bischof Pilgrim, ihrer Mutter Bruder, sie wohl empfängt, dann über Pechlarn, wo sie in Rüdigers gastlichem Hause einspricht. Bei Tuln reitet König Etzel ihr entgegen mit all den Fürsten, die ihm dienen, Heiden und Christen. Die Hochzeit wird zu Wien begangen; zu Wiselburg schiffen sie sich auf die Donau ein. So kommen sie gen Etzelnburg, wo Kriemhild fortan gewaltig an Helken Stelle sitzt. Sie genest eines Sohnes, der Ortlieb genannt wird.
Aber in dreizehn Jahren solcher Ehre vergisst sie nicht ihres Leides; allezeit denkt sie, wie sie es räche. Sie klagt dem Gemahle, dass man sie für freundlos halte, weil ihre Verwandten noch niemals zu ihr gekommen. So bewegt sie ihn, ihre Brüder zu einem Fest auf nächste Sonnenwende herzuladen. Werbel und Swemmel, des Königs Spielleute, werden als Boten gesandt und Kriemhild empfiehlt ihnen, dass Hagen nicht zurückbleibe, der allein der Wege kundig sei. König Gunther bespricht sich mit seinen Brüdern und Mannen über die Botschaft. Hagen, des Mordes eingedenk, rät ab von der Reise; als aber Gernot und Giselher ihn der Furcht zeihen, schliesst er zürnend sich an, rät jedoch, mit Heeresmacht auszufahren. Rumolts, des Küchenmeisters, Rat ist, daheim zu bleiben, bei guter Kost und schönen Frauen. Als sie zur Fahrt bereit sind, hat Frau Ute einen bangen Traum, wie alles Geflügel im Lande tot sei.
Mit tausend und sechzig ihrer Mannen, dazu tausend Nibelungen, und mit neuntausend Knechten erheben sich die Könige; durch Ostfranken ziehen sie zur Donau, zuvorderst reitet Hagen. Der Strom ist angeschwollen und kein Schiff zu sehen. Hagen geht gewappnet umher, einen Fährmann suchend. Er hört Wasser rauschen und horcht; in einem schönen Brunnen baden Meerweiber. Er schleicht ihnen nach, aber ihn gewahrend entrinnen sie und schweben, wie Vögel, auf der Flut. Ihr Gewand jedoch hat er genommen und die eine, Hadeburg, verspricht ihm, wenn er es wiedergebe, das Geschick der Reise vorherzusagen. Wirklich verkündet sie, dass die Fahrt in Etzels Land wohl ergehen werde. Als er darauf die Kleider zurückgegeben, rät die andre, Sieglind, jetzt noch umzukehren, sonst werden sie alle bei den Hunnen umkommen, nur des Königs Kaplan werde heimgelangen. Noch sagen sie ihm, wenn er die Fahrt nicht lassen wolle, wie er über das Wasser komme. Jenseits des Stromes wohnt der Ferge des bayrischen Markgrafen Else; laut ruft Hagen hinüber und nennt sich Amelrich, einen Mann des Markgrafen; hoch am Schwerte bietet er einen Goldring als Fährgeld. Der Ferge rudert herüber, als er sich aber betrogen sieht und Hagen nicht vom Schiffe weichen will, schlägt er den Helden mit dem Ruder. Hagen greift zum Schwerte, schlägt dem Fergen das Haupt ab und wirft es an den Grund. Dann bringt er das Schiff, das von Blute raucht, zu seinen Herrn und fährt selbst, den ganzen Tag arbeitend, das Heer über. Den Kaplan aber schwingt Hagen aus dem Schiffe und stösst ihn, als er zu schwimmen versucht, zürnend zu Grunde; dennoch kommt der Priester unversehrt an das Ufer zurück. Hagen sieht daraus, dass unvermeidlich sei, was die Meerweiber verkündet; da schlägt er das Schiff zu Stücken und wirft es in die Flut, damit, gibt er zuerst vor, kein Zager entrinnen könne. Bald aber sagt er den Recken ihr Schicksal, davor manches Helden Farbe wechselt.
Über Passau kommen sie auf Rüdigers Mark, wo sie den Hüter schlafend finden, dem Hagen das Schwert nimmt. Es ist Eckewart, der mit Kriemhilden hingezogen. Beschämt über seine üble Hut, empfängt er das Schwert zurück und warnt die Helden. Zu Pechlarn erfahren sie die Gastfreiheit des Markgrafen Rüdiger und seiner Hausfrau Gotelind. Sie schöne Tochter des Hauses wird Giselhern verlobt; keiner von ihnen geht unbeschenkt hinweg. Rüdiger selbst mit fünfhundert Mannen begleitet die Helden zum Feste. Dietrich von Bern, der bei den Hunnen lebt, reitet mit seinen Amelungen den Gästen entgegen. Auch er warnt, dass die Königin noch jeden Morgen um Siegfried weine.
Kriemhild steht im Fenster und blickt nach ihren Verwandten aus, der nahen Rache sich freuend. Als die Burgunden zu Hofe reiten, fragt jedermann nach Hagen, der den starken Siegfried schlug. Der Held ist wohl gewachsen, von breiter Brust und langen Beinen; die Haare grau gemischt, schrecklich der Blick, herrlich der Gang. Zuerst küsst Kriemhild Giselhern; als Hagen sieht, dass sie im Gruss unterscheide, bindet er sich den Helm fest. Ihn fragt sie nach dem Horte der Nibelunge; Hagen erwidert, er hab' an Schild und Brünne (Brustharnisch), Helm und Schwert genug zu tragen gehabt. Als die Helden ihre Waffen nicht abgeben wollen, merkt Kriemhild, dass sie gewarnt sind; wer es getan, dem droht sie den Tod. Zürnend sagt Dietrich, dass er gewarnt. Hagen nimmt sich Volkern zum Heergesellen; sie setzen sich Kriemhilds Saale gegenüber auf eine Bank. Die Königin, durchs Fenster blickend, weint und fleht Etzels Mannen um Rache an Hagen. Sechzig derselben wappnen sich; als ihr diese zu wenig dünken, rüsten sich vierhundert. Die Krone auf dem Haupte, kommt sie mit dieser Schar die Stiege herab. Der übermütige Hagen legt über seine Beine ein lichtes Schwert, aus dessen Knopf ein Jaspis scheint, grüner denn Gras; wohl erkennt Kriemhild, dass es Siegfrieds war. Furchtlos sitzen sie da und keiner steht auf, als die Königin ihnen vor die Füsse tritt. Sie wirft Hagen vor, dass er ihren Mann erschlagen; da spricht Hagen laut aus, dass er es getan, räch' es, wer da wolle! Die Hunnen sehen einander an und ziehen ab, den Tod fürchtend.
König Etzel, von all dem nichts wissend, empfängt und bewirtet die Helden auf das beste. Zu Nachtruhe werden sie in einen weiten Saal geführt, wo kostbare Betten bereitet sind. Hagen und Volker halten vor dem Hause Schildwacht. Volker lehnt den Schild von der Hand, nimmt die Fiedel und setzt sich auf den Stein an der Türe. Süsser und süsser lässt er seine Saiten tönen, bis alle die Sorgenvollen entschlummert sind. Mitten in der Nacht glänzen Helme aus der Finsternis; es sind Gewaffnete, von Kriemhilden geschickt; doch als sie die Türe so wohl behütet sehn, kehren sie wieder um.
Morgens, da man zur Messe läutet, heisst Hagen seine Gefährten statt der Seidenhemde die Harnische nehmen, statt der Mäntel die Schilde, statt der Kränze die Helme, statt der Rosen die Schwerter. Etzel fragt, ob ihnen jemand Leides getan. Hagen antwortet, es sei Sitte seiner Herren, bei allen Festen drei Tage gewappnet zu gehen. Aus Übermut sagen sie dem König ihren Argwohn nicht. Nach der Messe beginnen Ritterspiele. Dietrich verbietet seinen Recken teilzunehmen; auch Rüdiger hält die seinigen ab, weil er die Burgunden unmutig sieht. Einem Hunnen, der bräutlich aufgeputzt daherreitet, sticht Volker den Speer durch den Leib. Die Verwandten des Hunnen rufen nach Waffen, Etzel selbst muss schlichten; er reisst einem das Schwert aus der Hand und schlägt die andern hinweg. Ehe sie zu Tische sitzen, sucht Kriemhild Dietrichs Hilfe; doch er verweist ihr den Verrat an ihren Blutsfreunden. Williger findet sie Blödeln, Etzels Bruder, dem sie das Land des erschlagenen Nudung und dessen schöne Braut verheisst. Mit tausend Gewappneten zieht er feindlich zur Herberge, wo Dankwart, der Marschalk, mit den Knechten speist. Nach kurzem Wortwechsel springt Dankwart vom Tisch und schlägt ihm einen Schwertschlag, dass ihm das Haupt vor den Füssen liegt. Das ist die Morgengabe zu Nudungs Braut. Ein grimmer Kampf erhebt sich. Die Hälfte der Hunnen wird erschlagen; aber andre zweitausend kommen und lassen nicht vom Streite, bis all die Knechte tot liegen. Dankwart allein haut sich zum Saale durch, wo die Herren sind. Eben wird Ortlieb, Etzels junger Sohn, seinen Oheimen zu Tische getragen. Da tritt Dankwart in die Tür, mit blossem Schwert, alle sein Gewand mit Hunnenblut beronnen. Laut rufend verkündet er den Mord in der Herberge. Hagen heisst ihn der Türe hüten, dass kein Hunne hinauskomme. Dann schlägt er das Kind Ortlieb, dass sein Haupt in der Königin Schoss springt. Dem Erzieher des Knaben schlägt er das Haupt ab und dem Spielmann Werbel, zum Botenlohne, die rechte Hand auf der Fiedel. So wütet er fort im Saale. Kriemhild ruft Dietrichs Hilfe an. Der Held, auf dem Tische stehend und mit der Hand winkend, lässt seine Stimme schallen wie ein Wisenthorn. Gunther hört im Sturme den Ruf und gebietet Stillstand. Dietrich verlangt, dass man ihn und die Seinigen mit Frieden aus dem Hause lasse. Gunther gewährt es. Da nimmt der Berner die Königin unter den Arm, an der andern Seite führt er Etzeln, mit ihm gehen sechshundert Recken. Auch Rüdiger mit fünfhunderten räumt ungefährdet den Saal. Einem Hunnen aber, der mit Etzeln hinaus will, schlägt Volker das Haupt ab. Was von Hunnen im Saal ist, wird niedergehauen. Die Toten werden die Stiege hinabgeworfen.
Vor dem Hause stehen viel tausend Hunnen. Hagen und Volker spotten ihrer Feigheit; umsonst beut die Königin einen Schild voll Goldes, samt Burgen und Land, dem, der ihr Hagens Haupt bringe. - Noch vor Abend werden zwanzigtausend Hunnen versammelt; bis zur Nacht währt der harte Streit. Da versuchen die Könige noch, Sühne zu erlangen. Kriemhild begehrt vor allem, dass sie ihr Hagen herausgeben. Die Könige verschmähen solche Untreue. Darauf lässt Kriemhild die Helden alle in den Saal treiben und diesen an vier Enden anzünden. Vom Winde brennt bald das ganze Haus. Das Feuer fällt dicht auf sie nieder, mit den Schilden wehren sie es ab und treten die Brände in das Blut. Rauch und Hitze tut ihnen weh; von Durst gequält trinken sie, auf Hagens Anweisung, das Blut aus den Wunden der Erschlagenen; besser schmeckt es jetzt denn Wein. Am Morgen sind ihrer noch sechshundert übrig zu Kriemhilds Erstaunen. Mit neuem Kampfe bietet man ihnen den Morgengruss. Die Königin lässt das Gold mit Schilden herbeitragen, den Streitern zum Solde.
Markgraf Rüdiger kommt und sieht die Not auf beiden Seiten. Ihm wird vorgeworfen, dass er für Land und Leute, die er vom König habe, noch keinen Schlag in diesem Streite geschlagen. Etzel und Kriemhild flehen ihn fussfällig um Hilfe. Jener will ihn zum Könige neben sich erheben; diese mahnt ihn des Eides, dass er all ihr Leid rächen wolle. Was Rüdiger lässt oder beginnt, so tut er übel. Er hat die Burgunden hergeleitet, sie in seinem Hause bewirtet, seine Tochter, seine Gabe ihnen gegeben. Land und Burgen, was er vom Könige hat, heisst er wiedernehmen und will zu Fuss ins Elend gehen. Doch er muss leisten, was er gelobt, steht auch Seel' und Leib auf der Wage. Weib und Kind befiehlt er den Gebietern und heisst seine Mannen sich rüsten. Kriemhild ist freudenvoll und weint. Als Giselher den Schwäher mit seiner Schar daherkommen sieht, freut er sich der vermeinten Freundeshilfe. Rüdiger aber stellt den Schild vor die Füsse und sagt den Burgunden die Freundschaft auf. Umsonst mahnen sie in aller Lieb' und Treue. Er wünscht, dass sie am Rheine wären und er mit Ehren tot; aber den Streit kann niemand scheiden. Schon heben sie die Schilde, da verlangt Hagen noch eines. Der Schild, den ihm Frau Gotelind gegeben, ist ihm vor der Hand zerhauen; er bittet Rüdigern um den seinigen. Rüdiger gibt den Schild hin, es ist die letzte Gabe, die der milde Markgraf geboten. Manches Auge wird von heissen Tränen rot, und wie grimmig Hagen ist, erbarmt ihn doch die Gabe. Er und sein Geselle Volker geloben, Rüdigern nicht im Streite zu berühren. Hinan springt Rüdiger mit den Seinen; sie werden in den Saal gelassen, schrecklich klingen drin die Schwerter. Da sieht Gernot, wie viel seiner Helden der Markgraf erschlagen, und springt zum Kampfe mit diesem. Schon hat er selbst die Todeswunde empfangen, da führt er noch auf Rüdigern den Todesstreich mit dem Schwerte, das der ihm gegeben. Tot fallen beide nieder, einer von des andern Hand. Die Burgunden üben grimmige Rache, nicht einer von Rüdigers Mannen bleibt am Leben.
Ungeheure Wehklage erhebt sich von Weib und Mann; wie eines Löwen Stimme erschallt Etzels Jammerruf. Helfrich bringt die Kunde, dass Rüdiger samt seinen Mannen erschlagen sei. Der Berner will von den Burgunden selbst erfahren, was geschehen sei, und schickt den Meister Hildebrand. Als dieser gehen will, tadelt ihn Wolfhart, dass er ungewaffnet gehe und so dem Schelten sich aussetze. Da waffnet sich der Weise nach der Unbesonnenen Rat. Zugleich rüsten sich, ohne Dietrichs Wissen, all seine Recken und begleiten den Meister. Hildebrand befragt die Burgunden und Hagen bestätigt Rüdigers Tod; Tränen rinnen Dietrichs Recken über die Bärte. Der Meister bittet um den Leichnam, damit sie nach dem Tode noch des Mannes Treue vergelten. Wolfhart rät, nicht lange zu flehen. Sie sollen ihn nur aus dem Hause holen, erwidert Volker; mit trotzigen Reden reizen sich die beiden. Wolfhart will hinanspringen, aber Hildebrand hält ihn fest, an Dietrichs Verbot mahnend. "Lass ab den Leuen!" spottet Volker. Da rennt Wolfhart in weiten Sprüngen dem Saale zu; zornvoll alle Berner ihm nach. Ein wütender Kampf beginnt. Niemand bleibt lebend als Gunther und Hagen und von den Bernern Hildebrand, der mit einer starken Wunde von Hagens Hand entrinnt. Blutberonnen kommt er zu seinem Herrn, der traurig im Fenster sitzt. Dietrich fragt, woher das Blut. Hildebrand erzählt, wie sie Rüdigern haben wegtragen wollen, den Gernot erschlagen. Als Dietrich den Tod Rüdigers bestätigen hört, will er selbst hingehen und befiehlt dem Meister, die Recken sich waffnen zu heissen. "Wer soll zu euch gehn?" sagt Hildebrand; "Was ihr habt der Lebenden, die seht ihr bei euch stehn." Mit Schrecken hört der Berner den Tod seiner Mannen; das Haus erschallt von seiner Klage. Da sucht er selbst sein Waffengewand, Hildebrand hilft ihn wappnen. Dietrich geht zu Gunthern und Hagen, hält ihnen vor, was sie ihm Leides getan, und verlangt Sühne. Sie sollen sich ihm zu Geiseln ergeben, dann woll' er selbst sie heimgeleiten. Hagen nennt es schmählich, dass zwei wehrhafte Männer sich dem einen ergeben sollen. Schon als er den Berner kommen sah, vermass er sich, allein den Helden zu bestehen. Des mahnt ihn jetzt Dietrich. Sie springen zum Kampfe. Dietrich schlägt dem Gegner eine tiefe Wunde, aber töten will er nicht den Ermüdeten; den Schild lässt er fallen und umschlingt ihn mit den Armen. So bezwingt er ihn und führt ihn gebunden zu der Königin. Das ist ihr ein Trost nach herbem Leide. Dietrich verlangt, dass sie den Gefangenen leben lasse. Dann kehrt er zu Gunthern; nach heissem Kampfe bindet er auch diesen und übergibt ihn Kriemhilden mit dem Beding der Schonung. Sie aber geht zuerst in Hagens Kerker und verspricht ihm das Leben, wenn er wiedergebe, was er ihr genommen. Hagen erklärt, er habe geschworen, den Hort nicht zu zeigen, solang seiner Herren einer lebe. Da lässt Kriemhild ihrem Bruder das Haupt abschlagen und trägt ihn am Haare vor Hagen. Dieser weiss nun allein den Schatz; nimmer, sagt er, soll sie ihn erhalten. Aber ihr bleibt doch Siegfrieds Schwert, das er getragen, als sie ihn zuletzt sah. Das hebt sie mit den Händen und schlägt Hagen das Haupt ab. Der alte Hildebrand erträgt es nicht, dass ein Weib den kühnsten Recken erschlagen durfte. Zornig springt er zu ihr, nichts hilft ihr Schreien, mit schwerem Schwertstreich haut er sie zu Stücken. So liegt all die Ehre darnieder; mit Jammer hat das Fest geendet, wie alle Lust zujüngst zum Leide wird.
Liebe Grüße
Bettina
Rezitante und Musäusfan-ny
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