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Ahajute und der Wolkenfresser
RE: Ahajute und der Wolkenfresser
in Märchen von anderen Kontinenten 11.04.2007 21:10von Gemini • | 11.637 Beiträge | 12100 Punkte
Ahajute und der Wolkenfresser (Märchen der Zuni-Indianer)
Auf der Sonnenseite des Indianerlandes erhob sich ein mächtiger Berg, der von den Indianern Maisberg genannt wurde. Auf diesem Berg, ganz oben am Gipfel, wohnte Ahajute mit seiner Großmutter. Sein Leben verlief wie das Leben der meisten Indianerjungen, und er sehnte sich danach, eine Tat zu vollbringen, eine Mutprobe, die ihn zu einem Krieger machen würde. Ahajute war leichtfüßig wie eine Antilope, geschmeidig wie eine Forelle und stark wie ein Büffel, dass er es mit jedem Gegner aufnehmen konnte.
Aber die Zeit floss dahin wie die gemächliche Strömung des trägen Flusses.
Viele Jünglinge seines Alters hatten ihre Tat schon vollbracht und sind Krieger geworden, aber Ahajute wartete noch immer vergeblich auf seine Gelegenheit. Stets kehrte er mit düsterer Miene nach Hause zurück und rührte kaum das Essen an.
Eines Tages sagte die Großmutter zu ihm: “Ich weiß was dich bedrückt und ich weiß auch, wie dir zu helfen ist. Aber es ist eine schwere Aufgabe!“
Ahajute antwortete: „Ich bin kein Feigling und gerade so eine schwere Aufgabe ist es, an der ich meine Kräfte erproben möchte.“
„Ahh so, dann gib acht, was ich dir jetzt sage. Vor langer, langer Zeit setzte sich der Wolkenfresser im Osten fest.“
Ahajute fragte: „Der Wolkenfresser?“
„Ja, der Wolkenfresser. Er ist so groß wie der Maisberg und sein Maul reicht von einem Horizont zum anderen. Er verschlingt die Wolken und deshalb regnet es bei uns so wenig, dass Tiere und Menschen Durst leiden müssen.“
Ahajute fragte: „Hat noch keiner versucht, den Wolkenfresser zu töten?“
„Es sind schon viele mutige Jünglinge nach Osten gezogen, aber keiner ist wieder gekommen.“
„Ich fürchte mich nicht, ich will mit dem Wolkenfresser kämpfen!“
Die Großmutter sprach: „Ja, tu es, aber vergiss nicht, dass es ein ungleicher Kampf ist, der dich erwartet. Ich gebe dir vier Zauberfedern mit auf den Weg“ und nahm aus einer Truhe vier verschiedene Federn.
„Diese rote Feder ist die Feder der Schnelligkeit. Wenn du sie ins Haar steckst, bringt sie dich geradewegs zum Wolkenfresser. Die blaue Feder ist die Feder des Verstehens. Sie gibt dir die Fähigkeit, die Sprache der Tiere zu verstehen. Mehr noch vermag die gelbe, die Feder der Verwandlung. Sie kann dich so klein machen, dass du auch in einem Mauseloch Platz findest. Die letzte aber, die schwarze, ist die Feder der Stärke. Stecke sie ins Haar und sie verleiht dir außergewöhnliche Kraft.“
Ahajute fragte nicht weiter, er verwahrte die Federn sorgfältig und noch ehe der Gesang der Vögel verstummt war, stand er reisefertig vor seiner Großmutter, nahm von ihr Abschied und steckte die rote Feder ins Haar.
Schon bald lag der Maisberg weit hinter ihm und der Weg führte ihn weit nach Osten, in das Reich des Wolkenfressers. Aber wie sah es dort aus? Die Erde war ausgetrocknet, das Gras verdorrt und sogar die Stämme der Bäume waren ohne Saft und Kraft. Wohin Ahajute auch sah, nur Dürre und Ödnis. Plötzlich sah er, wie ein kleiner Maulwurf aus einem Maulwurfhaufen kam. Da nahm Ahajute seine blaue Feder, steckte sie ins Haar und sprach zum Maulwurf: „Sei gegrüßt. kannst du mir den Weg zum Wolkenfresser zeigen?“
„Oh, es ist nicht weit von hier“ antwortete der Maulwurf. “Aber wenn dich der Wolkenfresser sieht, bist du des Todes!“ Der Maulwurf zeigte in die Runde: „Sie dir das an, das ist das Werk des Wolkenfressers. Alles Leben weit und breit hat er vernichtet. Mir konnte er nichts tun, weil ich unter der Erde wohne.“ da steckte sich Ahajute die Feder der Verwandlung, die gelbe, in das Haar und wurde er kleiner und kleiner, bis er so groß wie der Maulwurf war. „Jetzt kann ich durch deine Gänge gehen und der Wolkenfresser sieht mich nicht. Bitte, führe mich zu ihm!“ Der Maulwurf antwortete: „Du bist mutig und schlau. Keinem von denen, die vor dir hier waren, ist eingefallen, mich um Beistand zu bitten und deshalb haben auch alle ihr Leben verloren. Ich werde dir helfen.“
Ahajute tappte vorsichtig hinter dem Maulwurf her. Seine Augen mussten sich erst an die Finsternis gewöhnen. Sie gingen und gingen, bis der Gang sich auf einmal sonderbar zu winden und drehen begann.
„Horch, jetzt sind wir unter dem Wolkenfresser“ sagte der Maulwurf. „Spürst du, wie die Erde bebt? Der Wolkenfresser schläft und wälzt sich hin und her.“
Sie kamen an das Ende des Ganges, in eine große Höhle.
Ahajute richtete sich auf, zog aber den Kopf gleich wieder ein, denn die Decke der Höhle senkte sich in regelmäßigen Schwingungen fast bis zur Erde herab.
„Hörst du, das ist der Herzschlag des Wolkenfressers“ flüsterte der Maulwurf. Die Erde bebte und dröhnte.
Da griff Ahajute nach der letzten, der schwarzen Feder und fühlte sogleich, dass ihm eine mächtige Kraft, die Kraft eines Kriegers durch die Adern strömte. Er nahm seinen Bogen, legte einen Pfeil auf die Sehne, zielte nach oben, spannte den Bogen und schoss.
Ein fürchterliches Brüllen erfüllte die Höhle, die Decke stürzte ein und begrub Ahajute unter Steinbrocken. Er verlor das Bewusstsein.
Als er wieder zu sich kam, lag er auf der Erde.
„Das hast du gut gemacht!“ sprach der Maulwurf. „Der Wolkenfresser hat uns in seinem Todeskampf mit Steinen verschüttet, aber ich habe dich heraufgeholt. Sieh dir das Ungetüm dort an, es ist tot! Dein Pfeil hat es mitten ins Herz getroffen. Nun kann der Wolkenfresser niemanden mehr quälen!“
Ahajute blickte zum Himmel, an dem tief hängende Regenwolken zogen, die dem ausgetrockneten, durstigem Land den lang ersehnten Regen brachten und den Menschen die Kunde, dass Ahajute ein Krieger geworden war.
Liebe Grüße
Bettina
Rezitante und Musäusfan-ny
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