Geduld
Geduld ist nicht die tatenlose Stille,
die kraftlos trägt, was sie nicht hindern kann,
die dumpfe Schwäche, deren eigner Wille,
nur schweigt, weil ihr zu mühevoll die Bahn,
nicht jenes willenlose Sichergeben,
weil Widerstand doch nichts erreichen mag;
Geduld ist nicht dies träge, müde Leben,
dies Leiden nur der Last von Tag zu Tag.
Geduld ist eine Kraft, die überwindet,
sie kennt den Weg, ihr ist das Ziel gewiss.
Geduld ist ist Mut, der seine Bahnen findet,
ob oft in Dornen, auch das Herz zerriss.
Sie fasst die Last, die Gott ihr aufgegeben,
sie sinkt darunter nicht, sie hebt sie auf.
Entgegen tritt sie kühn und frisch dem Leben,
wie sie begann, beendet sie den Lauf.
Geduld ist Frieden, der im Kampf nicht scheidet,
Geduld ist Freude, die im Leid nicht stirbt.
Geduld ist Mut, der nie ein Opfer meidet,
Geduld ist Jugend, die kein Herbst verdirbt.
Geduld ist unermüdlich, ohne Klagen,
sie hat sich ihren Weg nicht selbst gewählt.
Doch findet ihre Last sie alle Tage
stark und gesund, bereitet und gestählt.
Geduld dringt durch, und sei's mit tausend Wunden,
sie lässt sie heilen, denn sie trägt sie still,
sie hat schon auf dem Weg ihr Ziel gefunden,
weil sie nichts weiter will, als was Gott will.
Sie hört nicht auf, zu glauben und zu lieben,
wenn alles schwindet, alles bricht und weicht;
Dann aber ruht sie aus, wenn sie dort drüben
all' ihrer Hoffnung ew'ges Pfand erreicht.
(Das Gedicht hing als Wandschmuck über dem Kinderbett der
damaligen Prinzessin Victoria Luise in Cadinen
Verfasser unbekannt)